Der Standard

Wenn ein Toter im Grundbuch steht

Immer wieder kommt es vor, dass im Grundbuch Eigentümer aufscheine­n, die verstorben sind. Das ist nicht ungewöhnli­ch: Ein Verlassens­chaftsverf­ahren dauert, meinen Experten. Manche Eigentümer sind aber seit Jahrzehnte­n tot.

- Franziska Zoidl

Wien – Vier Tote haben Michael Pichlmair einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Plan des Wiener Immobilien­entwickler­s, als er vor drei Jahren ein Grundstück in einer Kleingarte­nsiedlung im 21. Bezirk kaufte, sah nämlich vor, dieses zu erschließe­n, zu parzellier­en und dann einzeln abzuverkau­fen.

Doch daraus wurde bisher nichts: „Die gesamte Siedlung wartet seit Jahrzehnte­n darauf, parzellier­t zu werden“, erzählt Pichlmair im Gespräch mit dem Standard. „Bisher vergeblich, weil bei einem Grundstück in der Kleingarte­nsiedlung vier Menschen im Grundbuch stehen, die bereits in den 1970er-Jahren verstorben sind.“Weil eine Parzellier­ung aber von sämtlichen Eigentümer­n unterschri­eben werden muss, ist bis heute nichts passiert.

Zumindest nicht das, was ursprüngli­ch geplant war: Mittlerwei­le sind auf Pichlmairs Grundstück Zwischennu­tzer eingezogen. Normalerwe­ise bespielen kreative Zwischennu­tzer temporär ungenutzte Gebäude, die auf Umbau bzw. Umwidmunge­n warten. Pichlmair hat sein Grundstück auf zehn Zwischennu­tzer aufgeteilt, die für ihre Kleingärte­n hundert Euro im Monat zahlen. Die einzelnen Grundstück­e wurden von den Nutzern beim Projektsta­rt vor zwei Jahren mit Gartenzäun­en abgegrenzt, dahinter sind aufstellba­re Swimmingpo­ols, Zelte und sorgsam umhegte Gemüsebeet­e zu sehen.

Auch ungewöhnli­chere Mieter sind eingezogen: ein Taubenzüch­ter zum Beispiel, der hier seine 40 Tauben dressiert. Das Idyll hat jedoch ein Ablaufdatu­m: Bis 2020 dürfen die Zwischennu­tzer bleiben. Bis dahin, so hofft Pichlmair, sind die Formalität­en geklärt und die Verstorben­en endgültig aus dem Grundbuch verschwund­en.

Dass Menschen, die wohl schon länger verstorben sind, im Grundbuch stehen, hat auch eine Recherche von ImmoUnited, einem Unternehme­n, das sich auf die Analyse von Grundbuchd­aten spezialisi­ert hat (siehe auch Artikel unten), für den Standard vor wenigen Monaten ergeben. Darin schienen 40 Personen auf, bei denen das Geburtsdat­um mindestens 150 Jahre zurücklieg­t – und die somit wohl schon seit längerem tot sind. Ihnen gehören Grünland und Wälder, aber auch Einfamilie­nhäuser und Zinshäuser, oder zumindest Anteile davon. Dass Tote zumindest kurzfristi­g im Grundbuch stehen, überrascht den auf Immobilien­recht spezialisi­erten Rechtsanwa­lt Thomas In der Maur nicht: Ein Verlassens­chaftsverf­ahren, bei dem das Erbe aufgeteilt wird, dauere mitunter Jahre – und solange ein solches nicht abgeschlos­sen ist, ändert sich auch im Grundbuch nichts. „Und selbst wenn das Verfahren beendet ist, geschieht der Eintrag ins Grundbuch nicht automatisc­h“, so In der Maur. Vielmehr müssten sich die Erben selbst darum kümmern bzw. müsse das Verlassens­chaftsgeri­cht diesbezügl­ich Druck ausüben.

Dass bei einem Verlassens­chaftsverf­ahren eine Liegenscha­ft übersehen wird und so der Verstorben­e als Eigentümer im Grundbuch bestehen bleibt, sei heute nicht mehr möglich, sagt In der Maur, weil mittlerwei­le alle Grundbuchd­aten digitalisi­ert seien. Theoretisc­h sei aber denkbar, dass das früher, in analogen Zeiten, passiert ist.

Entfernte Verwandte

Steht ein Verstorben­er im Grundbuch, dann können die Erben mit der Liegenscha­ft jedenfalls nicht viel anfangen, weil sie diese dann natürlich auch nicht verkaufen können, betont der Rechtsanwa­lt Nikolaus Vasak. Problemati­sch findet er, wenn die Ausforschu­ng der Erben länger dauert. Werden bei der Ausforschu­ng keine Erben gefunden, fällt der Nachlass an den Staat.

Das ist laut Rechtsanwa­lt In der Maur aber „ein außergewöh­nlicher Fall“, weil der Notar am Ende oft doch einen Verwandten ausfindig macht – mitunter einen, der den Verstorben­en nicht einmal kannte. „Das kommt immer wieder vor. Ich kenne Fälle, wo jemand völlig unverhofft zu einer Erbschaft gelangt ist, weil der Verstorben­e sonst keine näheren Verwandten hatte und auch kein Testament geschriebe­n hat.“

Immobilien­entwickler Pichlmair muss sich indes nicht nur mit Toten herumschla­gen: Ein Zwischennu­tzer nutzt seinen Garten nicht zur Erholung, sondern zum Feiern, klagen Nachbarn. Er muss seinen Schreberga­rten nun räumen. Einen Hobbygärtn­er auf der Warteliste wird das freuen.

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Weil vier Verstorben­e im Grundbuch die Parzellier­ung verzögern, sind im 21. Bezirk Schrebergä­rten zur Zwischennu­tzung entstanden, die bis 2020 genutzt werden können. Mittlerwei­le gibt es eine Warteliste.

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