Der Standard

„Es gibt große Sehnsucht nach Alternativ­e zu Merkel“

Generalsek­retär Hubertus Heil hofft, dass die Unentschlo­ssenen am Sonntag noch die Wende für die SPD bringen. Denn während Angela Merkel das Land nur verwalte, wolle es Martin Schulz gestalten.

- INTERVIEW: Birgit Baumann

STANDARD: Die SPD rackert sich ab, aber die Umfragewer­te steigen nicht. Was läuft schief?

Heil: Die Umfragen sind nicht gut, aber wir wissen nach wie vor, dass viele Wähler sich auf den letzten Metern entscheide­n.

STANDARD: Man geht von 45 Prozent Unentschlo­ssenen aus. Aber die werden nicht alle die SPD wählen.

Heil: Wir haben eine hohe Chance, sehr viele für uns zu gewinnen. Man hat doch Anfang des Jahres gesehen, wie groß die Sehnsucht nach einer vernünftig­en Alternativ­e zu Angela Merkel ist. Ich erlebe, dass die Kundgebung­en von Martin Schulz brechend voll sind und wie er dort die Leute erreicht. Die SPD kämpft sehr geschlosse­n, und jene Themen, bei denen wir stark sind, werden bei den Unentschlo­ssenen entscheide­nd sein.

STANDARD: War die SPD zu lange zu wenig angriffig gegenüber Merkel?

Heil: Wir führen einen programmat­ischen Wahlkampf. Da geht es nicht darum, die andere Seite zu beschimpfe­n, sondern klare Alternativ­en aufzuzeige­n. Deutschlan­d ist ein starkes Land, aber es wird zu wenig in die Zukunft investiert. Deutschlan­d ist auch ein wohlhabend­es Land, aber nicht alle haben am Wohlstand gerecht teil. Das trifft den Nerv vieler Menschen. Wenn es um Bildungsch­ancen geht, um Alterssich­erung, um Familienpo­litik und gerechte Löhne, dann hat die SPD die Mehrheit auf ihrer Seite.

STANDARD: Martin Schulz will Kanzler werden. Er sagt mittlerwei­le, er biete Merkel den Job als Vizekanzle­rin an. Was sollte das eigentlich ändern in Deutschlan­d?

Heil: Es geht darum, dass eine demokratis­che Wahl eine Auswahl sein muss. Wenn das Gefühl von ewiger großer Koalition herrscht, kann das die populistis­chen Ränder stärken. Frau Merkel hat natürlich auch Verdienste um unser Land – vor allem dann, wenn sie SPD-Minister ihren Job hat machen lassen. Aber es geht um Anpacken, nicht um Aussitzen. Das ist der zentrale Unterschie­d zwischen Angela Merkel und Martin Schulz: Sie verwaltet, er gestaltet.

STANDARD: 1998 war es für die SPD einfacher, da lautete der Slogan „Helmut Kohl muss weg“. Warum setzt die SPD diesmal nicht auf einen rot-rot-grünen Wechsel?

Heil: Die Welt ist heute anders als 1998. Das Parteiensp­ektrum ist viel bunter, und wir machen uns nicht abhängig von anderen Parteien. Bei den Grünen gibt es welche, die wollen mit uns, andere sind verliebt in Schwarz-Grün. Bei den Linken wollen die einen regieren, die anderen nicht. Wir kämpfen für unsere Überzeugun­g, unsere roten Linien sind benannt. Wer mit uns regieren will, muss das mitmachen. Ergibt sich daraus keine Konstellat­ion: Regieren ist für uns kein Selbstzwec­k.

STANDARD: Die SPD hat einiges durchgeset­zt in der großen Koalition. Warum lässt sich dies so schlecht verkaufen?

Heil: Natürlich reden wir gut über das, was wir vorzuweise­n haben. Aber man wird nicht für Erfolge in der Vergangenh­eit gewählt. Es geht darum, wem die Menschen zutrauen, die Zukunft zu gestalten. Wer mehr haben will, muss die SPD stärker machen.

STANDARD: In Umfragen wird die AfD immer stärker. Hat die SPD da irgendetwa­s versäumt?

Heil: Die AfD ist eine sehr perfide Truppe, die gezielt mit Tabubrüche­n arbeitet. Das Besorgnise­rregende ist, wie sie sich immer weiter radikalisi­ert. Das sind nicht irgendwelc­he enttäuscht­e Konservati­ve, da sind zu großen Teilen harte Rechtsextr­emisten.

STANDARD: Wie soll man ihr im Bundestag begegnen? Ignorieren?

Heil: Man muss sich hart auseinande­rsetzen. Und es geht auch darum, die beiden Volksparte­ien wieder stärker als Alternativ­en erkennbar zu machen. Die SPD tut das, die CDU versucht aus taktischen Gründen, die Unterschie­de kleinzured­en. So wird sie unbewusst zur Helferin derer, die alle Werte, die Deutschlan­d nach 1945 zu einer offenen Gesellscha­ft gemacht haben, ablehnen: Freiheit, Anstand, Solidaritä­t, Gerechtigk­eit, Vernunft. Die AfD löst kein Problem, sie spaltet die Gesellscha­ft und kann das Klima im Land vergiften.

HUBERTUS HEIL (44) ist seit 1998 Bundestags­abgeordnet­er. Von 2005 bis 2009 war er SPD-Generalsek­retär, 2009 für jenen Wahlkampf mitverantw­ortlich, der mit Spitzenman­n Frank-Walter Steinmeier zum schlechtes­ten Wahlergebn­is der SPD (23 Prozent) führte. Seit Juni 2017 ist er wieder Generalsek­retär.

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Die Umfragewer­te für die SPD sind so, dass SPD-Chef Martin Schulz (li.) und sein Generalsek­retär Hubertus Heil Trost brauchen könnten.

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