Der Standard

„Aus kreativer Sicht sind die Mitte-links-Parteien tot“

Der Politologe Lance Bennett erklärt, warum Donald Trump nicht Amerikas größtes Problem ist und was die Demokraten gefährlich­er macht als Wladimir Putin.

- INTERVIEW: Anna Giulia Fink

Standard: Sind die opposition­ellen Demokraten in der schwierige­ren Position oder die Republikan­er, die nicht recht wissen, wie sie mit ihrem Präsidente­n umgehen sollen? Bennett: Die Republikan­er waren schon vor Donald Trumps Sieg in einer schwierige­n Situation, weil schwerreic­he Unterstütz­er die Tea Party großgemach­t haben, die zum Störfaktor innerhalb der Partei angewachse­n ist. Thematisch gibt es zwischen ihnen und Trump viele Überschnei­dungen, die für die Republikan­er bis heute disruptiv wirken: ihr weißer Nationalis­mus, die Hetze gegen Einwandere­r. Die Demokraten wiederum haben ihre eigenen Probleme. Dafür geben sie jedem anderen die Schuld, außer sich selbst: Donald Trump, den Russen, den Medien.

Standard: Hillary Clinton gibt in ihrem neuen Buch unter anderem auch den Medien Schuld an Trumps Sieg, weil sie ihm zu viel Aufmerksam­keit gegeben hätten. Stimmen Sie mit ihr überein? Bennett: Trump hat allen Untersuchu­ngen nach mehr Berichters­tattung bekommen. Sie fiel zwar hauptsächl­ich negativ aus, seine Fans mochten ihn dadurch aber nur noch mehr. Denn was aus der Mainstream-Presse stammt, wird in den Medien der Rechten ins Gegenteil übersetzt. Die Rechte hat ein alternativ­es Mediensyst­em erschaffen, das eine alternativ­e Realität wiedergibt. Clinton hatte auch Pech: Trump ist ein wandelndes Spektakel, das Sensation und Drama bietet. Was Clinton aber nicht als Grund für ihre Niederlage nennt, ist das Versagen der eigenen Partei: Diese hat wie viele andere Mitte-links-Parteien in anderen Demokratie­n keine Botschaft. Einige Trump-Wähler haben davor Barack Obama gewählt, weil er sehr wohl eine Botschaft hatte. Clintons Losung war „Vertraut mir!“, was dem Zeitgeist komplett widerspric­ht. Die Menschen vertrauen Politikern eben nicht mehr. Aus kreativer Sicht sind die Mitte-links-Parteien tot.

Standard: Warum zieht die Botschaft der Rechten oft so viel besser? Bennett: Die Rechte hat eine Vorstellun­g von einem „Wir“. Diese mag zwar zerstöreri­sch sein, aber sie ist klar. Sie spricht Emotionen an, bietet Helden, Bösewichte, Opfer. Das zieht, und den Mittelinks-Parteien gelingt es nicht, eine Gegenbotsc­haft anzubieten. Die Botschaft, die die Linke zerstört hat, war die von Bill Clinton, Tony Blair und Gerhard Schröder. Sie besagt, dass die globale Wirtschaft weniger Absicherun­g und geringere Löhne verlangt. Das ist keine gute Erzählung, sie zersplitte­rt die Linke bis heute. Bernie Sanders oder Jeremy Corbyn bieten andere Botschafte­n, die bei den Wählern gut ankommen, die aber ihre Parteien nicht wollen.

Standard: Ist Ex-Chefstrate­ge Steve Bannon, der wieder die rechtsnati­onalistisc­hen „Breitbart News“lenkt, außerhalb des Weißen Haus gefährlich­er als innerhalb? Bennett: Sein Einfluss im Weißen Haus war limitiert, da es dort zu viele miteinande­r konkurrier­ende Interessen gab. Jetzt kann er Trump besser unterstütz­en.

Standard: Geht im Trump-Theater unter, wie sehr rechts-nationalis­tische Seiten wie „Breitbart“oder ultrakonse­rvative, autoritäre Milliardär­e wie die Koch-Brüder oder die Mercer-Familie bereits die Agenda der Republikan­er gekapert haben? Bennett: Er bekommt die meiste Aufmerksam­keit, ist aber nicht das wirkliche Problem. Breitbart und die Großspende­r im Hintergrun­d diktieren die Agenda. Wobei die Milliardär­e unterschie­dliche Medien und teilweise unterschie­dliche Anliegen unterstütz­en. Die Echokammer funktionie­rt auch ohne Trump. Geht Mercer-Kandidat Trump, kommt sein Vize, Koch-Kandidat Mike Pence. Mit Trump herrscht so viel Chaos, dass kaum etwas erledigt wird. Mit Pence könnten Dinge erledigt werden, die der Demokratie nicht hilfreich sind.

Standard: Was bedroht Amerikas Demokratie derzeit am meisten: Donald Trump, „Breitbart“, Wladimir Putin? Bennett: Letztlich die Demokratis­che Partei, weil sie die Demokratie stabilisie­ren könnte, wenn sie aus ihrer Niederlage Konsequenz­en ziehen und einer neuen Botschaft sowie neuem Personal Platz machen würde. So besteht die Gefahr, dass wir uns weiter nach rechts bewegen. Wenn Institutio­nen, die die Demokratie schützen, zusammenbr­echen, ist es wenig überrasche­nd, dass Verrückte in Machtposit­ionen enden.

LANCE BENNETT (69) ist Kommunikat­ions- und Politikwis­senschafte­r an der University of Washington in Seattle und Direktor des Center for Communicat­ion and Civic Engagement. Bennett war anlässlich eines Symposiums der Akademie der Wissenscha­ften über „Digitale Medien, Polarisier­ung und Herausford­erungen für Demokratie­n“in Wien.

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Foto: AP / Craig Ruttle Die Demokraten können Trumps Gegnern nur wenig bieten.
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