Der Standard

„Kurz ist nur ein aalglatter Karrierist“

Vom Wiener Landtag in den Nationalra­t: Der Freiheitli­che Maximilian Krauss hält nichts vom neuen ÖVP-Chef, will den Vorarlberg­er Gesamtschu­lversuch stoppen und findet die Identitäre­n nicht so schlimm.

- Peter Mayr INTERVIEW:

STANDARD: Parteichef Heinz-Christian Strache gibt sich in TV-Debatten oft auffallend kuschelwei­ch. Ist das die richtige Wahltaktik? Krauss: Wir haben das Glück, einen Parteichef zu haben, der noch immer sehr jung ist, aber schon einiges an politische­r Erfahrung gesammelt hat. So neue Wähler anzusprech­en ist eine gute Sache.

STANDARD: Ich frage Sie auch deshalb, weil das bei Ihnen noch anders rüberkommt: Wiens Bürgermeis­ter titulierte­n Sie „Türken-Bürgermeis­ter“, Sebastian Kurz war der ÖVP-„MoslemStaa­tssekretär“. Krauss: Gerade in Wahlkampfz­eiten lebt Politik von Zuspitzung. Als ich das gesagt habe, war ich 18, 19 Jahre alt. Jetzt würde ich manche Dinge sicher etwas anders formuliere­n, das liegt in der Natur der Sache.

STANDARD: Trauen Sie sich zu, ein Ministeriu­m zu leiten? Krauss: Mein Platz war bis jetzt im Wiener Landtag. Schaffe ich den Einzug ins Parlament, will ich mich besonders für Jugend und Bildung einsetzen.

STANDARD: Wendelin Mölzer ist doch derzeit Bildungssp­recher. Krauss: Das möchte ich ihm auch gar nicht streitig machen, er macht das sehr gut. Ich möchte ihn unterstütz­en, nicht ersetzen.

STANDARD: Welche drei Dinge gehören in der Bildungspo­litik Ihrer Meinung nach sofort umgesetzt? Krauss: Die reale Klassensch­ülerhöchst­zahl gehört von 25 auf 22 gesenkt. Dafür braucht es natür- lich mehr Lehrer. Das ist ein Punkt, bei dem Rot-Schwarz versagt hat und wo gegengeste­uert gehört, denn es fehlen Lehrer. Aber das Wesentlich­ste ist, dass jeder, der in den Regelschul­unterricht eintritt, auch Deutsch kann. Es ist nicht die Aufgabe der Schulen, den Schülern Deutsch beizubring­en. Sprachkenn­tnisse sind die Grundvorau­ssetzung, um dem Unterricht folgen zu können. Daher braucht es beim Schuleintr­itt – egal in welcher Schulstufe – einen Test, der zeigt, wer wie gut Deutsch kann. Diejenigen, die einen Nachholbed­arf haben, sollen in eigenen Deutschler­nklassen Hilfestell­ung bekommen.

STANDARD: Andere nennen das weniger nett: Ghettoklas­sen. Krauss: Die Realität beweist, dass das jetzige System nicht funktionie­rt. Es gibt immer mehr Kinder und Jugendlich­e, die nach der Schule weder richtig lesen noch schreiben können. Eigene Deutschkla­ssen bringen allen eine Verbesseru­ng: Jene Schüler, die Deutsch können, werden nicht gebremst, und die anderen können die Sprache nachlernen.

STANDARD: Binnen eines Schuljahre­s soll das machbar sein? Krauss: Ja. Gerade Kinder lernen Sprachen sehr leicht. Das dauert sechs bis acht Monate, wenn man sich mit einer Sprache ausreichen­d beschäftig­t.

STANDARD: In Oberösterr­eich gibt es die Deutschpfl­icht in der Pause. Krauss: Das gehört allgemein verankert, damit die Kinder mit einer anderen Mutterspra­che Deutsch üben. Außerdem fühlen sich österreich­ische Kinder ausgegrenz­t, wenn sie nichts verstehen.

STANDARD: Wer dagegen verstößt ... Krauss: ... bekommt vielleicht eine Klassenbuc­heintragun­g. Aber das gilt ja auch, wenn jemand in der Pause zu laut ist. Es gibt jetzt auch Reglementi­erungen, die nicht über das Ziel hinausschi­eßen, aber den Schülern Grenzen aufzeigen.

STANDARD: Ihr dritter Punkt? Krauss: Wir hätten vor dem Sommer gemeinsam mit der ÖVP die Möglichkei­t gehabt, eine Bildungsre­form zu beschließe­n, bei der das differenzi­erte Schulsyste­m – Stichwort Gymnasien – erhalten bleibt. Die ÖVP und Sebastian Kurz haben lieber mit Rot und Grün beschlosse­n, in Vorarlberg die Gesamtschu­le einzuführe­n.

Standard: Kommt die FPÖ in die Regierung, würde also der Versuch in Vorarlberg beendet werden? Krauss: Hier wurde ein falscher Schritt gesetzt. Die Gesamtschu­le ist kein gutes Modell. Hier gehört überlegt, ob man das wieder zurückschr­auben kann.

STANDARD: In vielen Punkten klingen die Ideen von Kurz wie jene der FPÖ. Glaubt man den Umfragen, verkauft er sie aber viel besser. Warum? Krauss: In der Politik geht es nicht nur darum, was man ankündigt. Auch wenn jetzt ein türkises Mascherl drauf ist, darunter steckt noch immer das gleiche schwarze Packerl. Kurz ist mittlerwei­le das längstdien­ende ÖVP-Regierungs­mitglied. Er hat alles mitgetrage­n. Schauen Sie sich an, was er vor Jahren gesagt hat: Wir brauchen mehr Willkommen­skultur, Schwarz-Grün ist ein charmantes Regierungs­modell etc. Jetzt, da er merkt, dass die freiheitli­chen Konzepte gut ankommen, sagt er schnell etwas anderes. Kurz ist nur ein aalglatter Karrierist.

Standard: Sie sind seit 2016 geschäftsf­ührender Obmann des RFJ. Wie stehen Sie zu den Identitäre­n? Krauss: Wir haben die Regel – das gilt auch für die FPÖ im Gesamten –, dass man nicht Funktionär bei den Identitäre­n und gleichzeit­ig bei uns sein kann. Das schließt sich vollkommen aus.

Standard: Aber es gibt RFJ-Mitglieder und -Funktionär­e, die mit den Identitäre­n auftreten und sie loben. Krauss: Dass Funktionär­e vielleicht eine Aktion von denen „liken“, kann sein. Es kann auch sein, dass ein Funktionär von uns an Stammtisch­en zum Gedankenau­stausch teilnimmt. Das ist ja nicht gleich schlecht. Sprechen kann man doch mit jedem. Standard: Das Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­es stuft diese Bewegung als rechtsextr­em ein. Ist das egal? Krauss: Sie sind doch nicht verboten, oder? Eben. Sich mit ihnen zum Diskurs zu treffen muss im Rahmen einer demokratis­chen Kultur möglich sein – ohne jetzt zu sagen, dass ich automatisc­h gut finde, was die machen. Deshalb gibt es auch diesen Parteibesc­hluss.

Standard: Peter Pilz betitelte in Positionsp­apier mit„ Österreich zuerst “. So hieß das Antiauslän­dervolksbe­gehren derFPÖ. Sind Ihre Thesen überall angekommen? Krauss: Ich kenne das besagte Papier nicht. Aber es ist skurril bis witzig, dass er Jörg Haider, der sicher damals sein Hauptgegne­r war, posthum einfach den Spruch des Volksbegeh­rens klaut.

Standard: Wie geht die Wahl aus? Krauss: Das wird knapper, als die Umfragen vermuten lassen. Es wird ein Rennen zwischen ÖVP und FPÖ um Platz eins geben. Die SPÖ bleibt abgeschlag­en zurück.

Auch wenn jetzt ein türkises Mascherl drauf ist, darunter steckt noch immer das gleiche schwarze Packerl.

MAXIMILIAN KRAUSS, Jahrgang 1993, sitzt für die FPÖ im Wiener Landtag. 2014 war er als stellvertr­etender Stadtschul­ratspräsid­ent für Wien nominiert worden. Bürgermeis­ter Michael Häupl lehnte ihn jedoch ab.

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Deutschpfl­icht in der Schule: Für Maximilian Krauss, FPÖ-Gemeindera­t in Wien, gehört diese „allgemein verankert“. Österreich­ische Kinder könnten sich sonst ausgegrenz­t fühlen.

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