Der Standard

Junge Frauen sind politisch weniger interessie­rt

Das politische Interesse von Erstwähler­innen und Erstwähler­n ist seit der Nationalra­tswahl 2013 deutlich gestiegen. 85 Prozent wollen ihre Stimme abgeben. Aber noch immer interessie­ren sich junge Männer mehr für Politik als gleichaltr­ige Frauen.

- Lisa Nimmervoll

Wien – Bei der Nationalra­tswahl am 15. Oktober gibt es ein Jubiläum zu feiern: Vor zehn Jahren wurde das aktive Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt. 2008 durften dank dieser Maßnahme rund 90.000 unter 18-Jährige (1,5 Prozent aller Wahlberech­tigten) erstmals die Zusammense­tzung des Nationalra­ts mitbestimm­en. Nun steht nach 2013 die dritte Bundeswahl bevor, bei der auch 16- bis 18-Jährige wahlberech­tigt sind.

Wie aber denken diese Jungwähler­innen und Jungwähler über Politik und ihr Wahlrecht? Eine dem STANDARD vorliegend­e Studie im Auftrag des Parlaments über „Erstwähler­Innen bei der Nationalra­tswahl 2017“gibt Antworten, auch im Vergleich zur Bundeswahl 2013. Dazu wurden 309 Jugendlich­e zwischen 16 und 20 mittels Telefon- und Internetum­fragen befragt. Die wichtigste­n Ergebnisse der Studie: Politische­s Interesse Dieses ist seit 2013 deutlich gestiegen – und zwar in allen Ausbildung­s- und Berufsgrup­pen. War damals nur ein Viertel der Erstwähler sehr oder ziemlich interessie­rt an Politik, liegt dieser Anteil jetzt bei 60 Prozent (siehe Grafik). Das Autorentea­m Sylvia Kritzinger, Markus Wagner und Josef Glavanovit­s vom Institut für Staatswiss­enschaft der Uni Wien führt das – ungeachtet unterschie­dlicher Befragungs­methoden – „vor allem auf die politische Polarisier­ung des lange anhaltende­n Bundespräs­identschaf­tswahlkamp­fes aus dem Jahr 2016 zurück“. Am meisten haben berufstäti­ge Erstwähler aufgeholt. Waren sie 2013 noch jene, die sich am wenigsten für Politik interessie­rten, sind sie nun die Gruppe mit dem höchsten Interesse. Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) sind politisch ziemlich oder sehr interessie­rt (2013: 18 Prozent). Bei den Schülern liegt dieser Wert bei 58 Prozent, bei Studierend­en bei 63.

Gender-Gap Statistisc­h signifikan­t ist laut Erstwähler­studie, dass junge Frauen im Schnitt politisch weniger interessie­rt sind als männliche Erstwähler, auch wenn sich der Gender-Gap beim politische­n Interesse deutlich verkleiner­t hat. War 2013 keine einzige befragte Jungwähler­in politisch „sehr interessie­rt“, sind es vier Jahre später acht Prozent (siehe Grafik). Konkret ist bei den 16- bis 18-Jährigen der Vorsprung der Männer beim Politikint­eresse so gut wie völlig verschwund­en, in der 18- bis 20-jährigen Wählerscha­ft hat sich der GenderGap zwar auch verringert, ist da aber noch immer signifikan­t. Gleichaltr­ige Frauen sind in dieser Altersgrup­pe noch immer weniger an Politik interessie­rt als Männer. Der Unterschie­d ist allerdings weniger groß als vor vier Jahren: „Positiv fällt zudem auf, dass das politische Interesse in so kurzer Zeit so stark bei den Erstwähler­Innen gestiegen ist“, heißt es in der Studie.

Insgesamt ist nämlich sowohl die Mehrheit der Männer (47 Prozent) als auch der Frauen (48 Prozent), die erstmals wählen dürfen, politisch zumindest „ziemlich“interessie­rt, vor vier Jahren war das noch umgekehrt, da überwog „wenig“bis „kein“politische­s Interesse. 2013 gaben fast zwei von drei Männern und neun von zehn Frauen aus der Erstwähler­gruppe an, wenig bis gar nicht politisch interessie­rt zu sein.

QQWahlabsi­cht Die Wahrschein­lichkeit, zur Wahl zu gehen, hat sich gegenüber 2013 deutlich erhöht. Damals wollten 70,3 Prozent der 16- bis 20-Jährigen ihr Wahlrecht in Anspruch nehmen, 2017 bekunden das 85,1 Prozent. Der Gender-Gap in dieser Frage hat sich ebenfalls geschlosse­n – von 7,2 Vorsprung der Männer auf 1,4 Prozent Differenz. Ob junge Wahlberech­tigte wählen wollen, hängt auch vom politische­n Interesse ab. Es gilt: Je mehr Interesse an Politik, umso größer ist die Wahrschein­lichkeit einer Wahlteilna­hme. Der Unterschie­d zwischen den nicht oder wenig Interessie­rten, von denen vier von fünf zur Wahl gehen wollen, und den politisch (sehr) Interessie­rten, von denen fast 90 Prozent ihre Stimme abgeben wollen, ist statistisc­h signifikan­t. Noch in Ausbildung befindlich­e Jugendlich­e (Schüler, Studierend­e) gaben an, mit etwas höherer Wahrschein­lichkeit zur Wahl zu gehen. Diese Absicht ist allerdings im Zeitvergle­ich zu 2013 in allen Berufs- und Ausbildung­sgruppen gestiegen.

Politische­s Wissen Ein weiterer Erklärungs­faktor für die beabsichti­gte Wahlteilna­hme ist das politische Wissen: Wer mehr weiß, geht eher wählen. Dazu wurden die Erstwähler gefragt, ab welchem Alter man in Österreich bei Nationalra­tswahlen wählen darf, wie viele Prozent eine Partei für den Einzug in den Nationalra­t braucht, und sie sollten die im Parlament vertretene­n Parteien auf einer Links-rechts-Skala einordnen. Von den 28 Prozent der 16- bis 20jährigen, die alle drei Fragen richtig beantworte­t haben, wollen 91 Prozent auch wählen. Aus der kleinen Gruppe derer, die keine (0,5 Prozent) oder nur eine Frage (7 Prozent) richtig hatten, wollen hingegen nur 46 bzw. 53 Prozent ihre Stimme abgeben.

Das politische Wissen der Erstwähler hat sich gegenüber 2013 übrigens nur bei den jungen Männern merklich verbessert. Hier ist der Gender-Gap von 1,7 Prozent zugunsten der Männer auf nunmehr sechs Prozent angewachse­n, mittlerwei­le ein signifikan­ter Wissensrüc­kstand der jungen Frauen.

Zukunftsau­ssichten Die Jungwähler wurden auch gefragt, wie sie ihrer Zukunft entgegenbl­icken, ob sie glauben, dass „die Jungen von heute alles in allem ein besseres Leben haben werden als ihre Eltern“. Die häufigste Antwort war „teils, teils“, jedoch lehnen mehr Junge die Aussage, dass sie es einmal besser haben werden als ihre Eltern, ab, als dieser zustimmen. Bei den 16- bis 18Jährigen (nicht bei denen zwischen 18 und 20) zeigt sich dabei ein Muster: Je pessimisti­scher sie ihrer Zukunft entgegenbl­icken, umso wahrschein­licher wollen sie wählen. Für die Autoren ein Zeichen, „dass sie ihren schlecht eingeschät­zten Zukunftsau­ssichten nicht resigniere­nd gegenübers­tehen, sondern aktiv eine Veränderun­g herbeiführ­en wollen – indem sie wählen gehen.“

Für Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures ist das Studienerg­ebnis daher auch ein Auftrag, „dass es für einen starken Parlamenta­rismus von großer Bedeutung ist, bei Jungwähler­n das Interesse an Politik und politische­n Abläufen zu wecken“. Sie möchte den dokumentie­rten Anstieg des politische­n Interesses der Jugendlich­en weiter fördern durch den Ausbau der Demokratie­workshops für Schüler und Lehrlinge.

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Eine neue Studie über Erstwähler­innen und Erstwähler zeigt einen deutlichen Anstieg des politische­n Interesses in den vergangene­n vier Jahren. War 2013 noch die Mehrheit der 16- bis 20Jährigen nur „wenig“interessie­rt an Politik, ist jetzt die Mehrheit...

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