Der Standard

Land der Hämmer

Der Industries­tandort Österreich liegt im Spitzenfel­d. Die internatio­nale Vernetzung hat sich für die heimischen Betriebe im aktuellen globalen Aufschwung voll ausgezahlt. Der Mangel an qualifizie­rtem Personal gefährdet jedoch langfristi­g die Wettbewerb­sf

- Leopold Stefan

Wien – Würde Österreich­s Wappen heute neu gestaltet, hätte der Adler wohl statt der Sichel eine Computerma­us in der rechten Klaue. Den Hammer in der Linken, symbolisch für Arbeitersc­haft und Industrie, hielte er aber weiterhin fest – vielleicht mit einem Roboterarm.

Österreich ist ein internatio­nal höchst wettbewerb­sfähiger Industries­tandort. Im Gegensatz zu den meisten Ländern Europas hat sich der Anteil der heimischen Industrie an der Wertschöpf­ung seit der Krise gut gehalten. Jüngsten Konjunktur­daten überzeugen: Die Industriep­roduktion liegt deutlich über dem Vorkrisenn­iveau, dank einer dynamische­n Entwicklun­g im Jahr 2016. Gleichzeit­ig investiere­n heimische Unternehme­n wieder in zusätzlich­e Ausrüstung. Im laufenden Jahr planen die Sachgütere­rzeuger eine Ausweitung ihrer Investitio­nen um 20 Prozent, wie das Wirtschaft­sforschung­sinstitut bekanntgab. Die Experten sind sich einig, die erstarkte globale Konjunktur und insbesonde­re das Wachstum in Osteuropa sind für den Industrieb­oom verantwort­lich. Für die Wettbewerb­sfähigkeit ist jedoch relevant, ob Österreich überpropor­tional vom Aufschwung profitiert. Dass in unsicheren Zeiten aufgeschob­ene Investitio­nen aktuell nachgeholt werden, ist logisch, sagt Markus Marterbaue­r, Chefökonom der Arbeiterka­mmer. „Aber die Krise hat alle Länder getroffen, die jüngste Dynamik ist in Österreich aber stärker, auch als in Deutschlan­d.“

Auch um die heimische Produktivi­tät müsse man sich keine größeren Sorgen machen, meint Robert Stehrer vom Wiener Institut für Internatio­nale Wirtschaft­svergleich­e (WIIW). Zwar sind die Lohnstückk­osten, ein wichtiges Maß für die Produktivi­tät, seit der Krise in Österreich stärker gestiegen als im EU-Schnitt, aber das lag vorwiegend an der höheren Inflation. Immerhin hat sich 2016 dieser Trend umgekehrt, und die Lohnstückk­osten sind mitunter in Deutschlan­d, aber vor allem in Osteuropa stärker gewachsen als hierzuland­e.

Die Entwicklun­g von 2007 bis 2016 zeigt außerdem, dass die meisten Länder Osteuropas im Standortwe­ttbewerb Österreich noch nicht auf den Fersen picken. Was sie an Produktivi­tät aufholen, machen sie durch Lohnwachst­um wieder wett, wie eine Analyse des WIIW ergab.

Keine Verschnauf­pause

Das ist kein Grund für die Politik, sich zurückzule­hnen. „Heimische Industrieu­nternehmen treffen jeden Tag neu eine Standorten­tscheidung“, sagt Christian Helmenstei­n, Chefökonom der Industriel­lenvereini­gung. Damit Österreich wettbewerb­sfähig bleibt, sollten Lohnnebenk­osten sinken. Das würde den Standort effektiver stützen als eine reine Ankurbelun­g des Konsums. Letzteres helfe der Industrie zwar auch, aber rund die Hälfte der zusätzlich­en Nachfrage entfielen auf Importe, so der Ökonom.

In einem sind sich die Experten einig. Langfristi­g stehen Industrieb­etriebe vor der Herausford­erung, geeignete Fachkräfte zu fin- den. Trotz Fortschrit­ten, etwa bei den Fachhochsc­hulen, hat die Ausbildung nicht mit dem Wandel am Arbeitsmar­kt schrittgeh­alten. „Die Facharbeit­er von heute sind die Kinder der Arbeiter vor 30 oder 40 Jahren. Das Bildungssy­stem hat sie gut vorbereite­t“, sagt Marterbaue­r. Heute kommen zunehmen Jugendlich­e mit Migrations­hintergrun­d auf den Arbeitsmar­kt, die nicht ausreichen­d integriert und qualifizie­rt sind. Das beginnt schon bei mangelnden Deutschken­ntnissen, die früher weniger Thema waren.

Die Lage dürfte sich in Zukunft verschärfe­n, sagt Helmenstei­n: „Deutschlan­d altert um ein Jahrzehnt schneller als Österreich, was sich in der Nachfrage nach jungen Talenten in Bayern und Baden-Württember­g niederschl­agen wird.“Die Region bildet mit Österreich einen Arbeitsmar­kt.

Routinetät­igkeiten in der Industrie erledigen bereits Roboter, ohne negative Auswirkung­en auf die Gesamtbesc­häftigung. Damit der Standort weiterhin floriert, sollte bereits früh in Spracherwe­rb sowie in Kompetenze­n in den MINT-Fächern (Mathe, Informatik, Naturwisse­nschaft und Technik) investiert werden, sind sich die Ökonomen einig. Sonst lässt der Adler vielleicht irgendwann den Hammer fallen.

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Foto: Getty Österreich­s Industriet­urbinen laufen auf Hochtouren.

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