Macron unterzeichnet umstrittene Arbeitsreform
Inmitten gewerkschaftlicher Proteste hat der französische Präsident Emmanuel Macron seine umstrittene Arbeitsmarktreform abgesegnet. So einschneidend wie die deutschen Hartz-Reformen ist sie allerdings nicht.
Reichlich theatralisch setzte sich Emmanuel Macron an sein Pult im goldverzierten Élysée-Büro und zückte den Federhalter, um fünf Erlasse seiner Arbeitsmarktreform zu unterzeichnen. Der Anlass wurde im Fernsehen live übertragen – ein dem Weißen Haus in Washington abgeschautes Novum für Frankreich. Der französische Präsident wollte offensichtlich einen Kontrapunkt zu den Großdemonstrationen setzen, die in Paris seit Tagen die Schlagzeilen und TV-Nachrichten dominieren. Am Donnerstag vereinte die radikale Gewerkschaft CGT allerdings „nur“noch 130.000 Teilnehmer, nachdem sie vor einer Woche noch 220.000 Streikende auf die Straße gebracht hatte. Heute will die Linkspartei Unbeugsames Frankreich nochmals 100.000 Menschen mobilisieren.
Ihr Chef Jean-Luc Mélenchon geißelt die Reform seit Wochen als „sozialen Staatsstreich“. Der Widerstand wird aber am Inkrafttreten der einzelnen Dekrete nichts mehr ändern.
Offen ist die Frage nach ihrer Wirkung. Für die Arbeitnehmer ändert sich vor allem das Kündigungsrecht: Abgangsentschädi- gungen werden plafoniert und können nicht mehr zwei Jahre lang eingeklagt werden. Das soll die Jobkosten für die Arbeitgeber berechenbarer machen und indirekt Stellen schaffen. Die Höhe der Abfindungen entspreche in etwa den heute üblichen Ansätzen der Arbeitsgerichte, meinte der Anwalt Bertrand Merville. Kompensiert wird die von den Gewerkschaften vorab bekämpfte Plafonierung durch eine generelle Anhebung der Kündigungsentschädigungen um 25 Prozent bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
„Wegwerf-Arbeitsplätze“
Ebenso umstritten ist die Neuerung, dass eine Niederlassung ausländischer Konzerne in Frankreich Personal entlassen kann, wenn sie rote Zahlen schreibt. Bisher musste der ganze Konzern Verlust schreiben, bevor die Entlassung zulässig war. Die CGT befürchtet Missbräuche, mit denen Weltkonzerne regelrechte „Wegwerf-Arbeitsplätze“schaffen könnten.
Arbeitgeber wenden ein, diese Regelungen blieben immer noch hinter den Hartz-Reform in Deutschland zurück: In Frankreich müsse in jedem Fall ein Kündigungsgrund angegeben werden, was in Deutschland in den kleinsten Unternehmen nicht mehr der Fall sei; außerdem könne eine Entlassung immer noch länger – ein Jahr gegen drei Wochen in Deutschland – beanstandet werden, und die Abfindungen seien im Schnitt doppelt so hoch.
Hauptnutznießer der MacronReform sind vor allem Kleinunternehmen. Haben sie weniger als 50 Angestellte, können sie Branchenabkommen umgehen und genau bestimmte Fragen wie etwa die Überstunden betriebsintern regeln, ohne auch nur einen Gewerkschaftsvertreter beizuziehen.
Ob Arbeitsrecht und damit die Wirtschaftsabläufe dadurch „flüssiger“werden, wie Macron glaubt, wird sich erst zeigen. Der Präsident hatte am Freitag wohl recht mit der Behauptung, seine Reform gebe vor allem schlecht qualifizierten Jugendlichen – deren Arbeitslosigkeit bei 25 Prozent liegt – neue Jobhoffnungen. Von einer „kopernikanischen Revolution“, von der er früher schon ge- sprochen hatte, kann aber nicht die Rede sein.
Wichtiger könnte die psychologische Wirkung sein. Macron hat seine Reform geschickt und in Rekordzeit durchgebracht. Das könnte der Wirtschaft Elan vermitteln. Ökonomen glauben zwar, dass die Liberalisierung erst „in Jahren“Arbeitsplätze schaffen könne. Die konjunkturelle Erholung, die in Frankreich derzeit unabhängig von der Reform zu spüren ist, könnte den Arbeitsmarkt allerdings schon früher positiv beeinflussen. Macron wird es sich nicht nehmen lassen, dies auf seine Reformen zurückzuführen.