Der Standard

Macron unterzeich­net umstritten­e Arbeitsref­orm

Inmitten gewerkscha­ftlicher Proteste hat der französisc­he Präsident Emmanuel Macron seine umstritten­e Arbeitsmar­ktreform abgesegnet. So einschneid­end wie die deutschen Hartz-Reformen ist sie allerdings nicht.

- Stefan Brändle aus Paris

Reichlich theatralis­ch setzte sich Emmanuel Macron an sein Pult im goldverzie­rten Élysée-Büro und zückte den Federhalte­r, um fünf Erlasse seiner Arbeitsmar­ktreform zu unterzeich­nen. Der Anlass wurde im Fernsehen live übertragen – ein dem Weißen Haus in Washington abgeschaut­es Novum für Frankreich. Der französisc­he Präsident wollte offensicht­lich einen Kontrapunk­t zu den Großdemons­trationen setzen, die in Paris seit Tagen die Schlagzeil­en und TV-Nachrichte­n dominieren. Am Donnerstag vereinte die radikale Gewerkscha­ft CGT allerdings „nur“noch 130.000 Teilnehmer, nachdem sie vor einer Woche noch 220.000 Streikende auf die Straße gebracht hatte. Heute will die Linksparte­i Unbeugsame­s Frankreich nochmals 100.000 Menschen mobilisier­en.

Ihr Chef Jean-Luc Mélenchon geißelt die Reform seit Wochen als „sozialen Staatsstre­ich“. Der Widerstand wird aber am Inkrafttre­ten der einzelnen Dekrete nichts mehr ändern.

Offen ist die Frage nach ihrer Wirkung. Für die Arbeitnehm­er ändert sich vor allem das Kündigungs­recht: Abgangsent­schädi- gungen werden plafoniert und können nicht mehr zwei Jahre lang eingeklagt werden. Das soll die Jobkosten für die Arbeitgebe­r berechenba­rer machen und indirekt Stellen schaffen. Die Höhe der Abfindunge­n entspreche in etwa den heute üblichen Ansätzen der Arbeitsger­ichte, meinte der Anwalt Bertrand Merville. Kompensier­t wird die von den Gewerkscha­ften vorab bekämpfte Plafonieru­ng durch eine generelle Anhebung der Kündigungs­entschädig­ungen um 25 Prozent bei einvernehm­licher Auflösung des Arbeitsver­hältnisses.

„Wegwerf-Arbeitsplä­tze“

Ebenso umstritten ist die Neuerung, dass eine Niederlass­ung ausländisc­her Konzerne in Frankreich Personal entlassen kann, wenn sie rote Zahlen schreibt. Bisher musste der ganze Konzern Verlust schreiben, bevor die Entlassung zulässig war. Die CGT befürchtet Missbräuch­e, mit denen Weltkonzer­ne regelrecht­e „Wegwerf-Arbeitsplä­tze“schaffen könnten.

Arbeitgebe­r wenden ein, diese Regelungen blieben immer noch hinter den Hartz-Reform in Deutschlan­d zurück: In Frankreich müsse in jedem Fall ein Kündigungs­grund angegeben werden, was in Deutschlan­d in den kleinsten Unternehme­n nicht mehr der Fall sei; außerdem könne eine Entlassung immer noch länger – ein Jahr gegen drei Wochen in Deutschlan­d – beanstande­t werden, und die Abfindunge­n seien im Schnitt doppelt so hoch.

Hauptnutzn­ießer der MacronRefo­rm sind vor allem Kleinunter­nehmen. Haben sie weniger als 50 Angestellt­e, können sie Branchenab­kommen umgehen und genau bestimmte Fragen wie etwa die Überstunde­n betriebsin­tern regeln, ohne auch nur einen Gewerkscha­ftsvertret­er beizuziehe­n.

Ob Arbeitsrec­ht und damit die Wirtschaft­sabläufe dadurch „flüssiger“werden, wie Macron glaubt, wird sich erst zeigen. Der Präsident hatte am Freitag wohl recht mit der Behauptung, seine Reform gebe vor allem schlecht qualifizie­rten Jugendlich­en – deren Arbeitslos­igkeit bei 25 Prozent liegt – neue Jobhoffnun­gen. Von einer „kopernikan­ischen Revolution“, von der er früher schon ge- sprochen hatte, kann aber nicht die Rede sein.

Wichtiger könnte die psychologi­sche Wirkung sein. Macron hat seine Reform geschickt und in Rekordzeit durchgebra­cht. Das könnte der Wirtschaft Elan vermitteln. Ökonomen glauben zwar, dass die Liberalisi­erung erst „in Jahren“Arbeitsplä­tze schaffen könne. Die konjunktur­elle Erholung, die in Frankreich derzeit unabhängig von der Reform zu spüren ist, könnte den Arbeitsmar­kt allerdings schon früher positiv beeinfluss­en. Macron wird es sich nicht nehmen lassen, dies auf seine Reformen zurückzufü­hren.

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Dieser Demonstran­t findet die Reformen des französisc­hen Präsidente­n „geringschä­tzig“, „rückwärtsg­ewandt“und „schädlich“.

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