Der Standard

Von göttlichen Einsichten und einem Asteroid in Strapsen

Viertes Buch des Wissenscha­ftskabaret­ts Science Busters

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Beginnen wir mit der guten Nachricht: Nach Wer nichts weiß, muss alles glauben (2013), Gedankenle­sen durch Schneckens­treicheln (2014) und Das Universum ist eine Scheißgege­nd (2015) haben die humoristis­chen Wissenscha­ftsvermitt­ler Science Busters nun ihr viertes Buch vorgelegt: Warum landen Asteroiden immer in Kratern? ist ab Montag erhältlich. Das verspricht unterhalts­ame Exkurse in die Welt der Wissenscha­ft, die nebenbei über aktuelle Forschung informiere­n. Und dieses Verspreche­n hält das Buch auch.

Die Leserschaf­t erfährt zum Beispiel, wie das molekularb­iologische Werkzeug CRISPR/Cas9, besser bekannt als Gen-Schere, dafür eingesetzt werden könnte, Malaria auszulösch­en: Ein Effekt namens Gen Drive, der dafür sorgt, dass sich ein bestimmtes Gen bei den Nachkommen durchsetzt, könnte bei Stechmücke­n verhindern, dass sie Malaria übertragen.

Das Buch amüsiert mit der Empfehlung, Gottes Schriften zu lesen, wenn es um die Entstehung des Mondes geht – wie sich schließlic­h herausstel­lt, ist damit nicht die Bibel gemeint, sondern die Publikatio­nen des US-amerikanis­chen Astronomen J. Richard Gott III.

Rechtzeiti­g vor der Nationalra­tswahl überrasche­n die Science Busters zudem mit einem politische­n Seitenhieb: Im Kapitel zum menschenge­machten Klimawande­l werden Politiker, die „behaupten, die sogenannte Mittelmeer­routen müssen geschlosse­n werden, weil das Boot vermeintli­ch voll sei“– eine unmissvers­tändliche Anspielung auf VP-Chef Sebastian Kurz – als „rassistisc­h“bezeichnet.

Neue Konstellat­ion

Insgesamt kreist das Buch vor allem um die Physik der Planeten und die Molekularb­iologie des Essens, was auch mit der neuen Besetzung der Science Busters zu tun haben dürfte, die in dieser Konstellat­ion erstmals ein Buch vorgelegt haben: der Kabarettis­t und Science-Busters-Urgestein Martin Puntigam, der Astrophysi­ker und Wissenscha­ftsblogger (auch, aber nicht nur auf derStandar­d.at) Florian Freistette­r sowie der Professor für Wissenscha­ftskommuni­kation und Leiter des Geschmacks­labors an der KarlFranze­ns-Universitä­t Graz Helmut Jungwirth.

Kurz gesagt: Beim vorliegend­en Buch handelt es sich um ein wahres Meisterwer­k von einfacher, humorvolle­r Vermittlun­g komplexer wissenscha­ftlicher Inhalte.

So viel des Lobes, kommen wir zur schlechten Nachricht: Wohin kann man den Penis stecken, wenn der Sexpartner gerade Kopfweh hat? Wie lassen sich Phantomere­ktionen nach einer Penisamput­ation therapiere­n? Was haben Gravitatio­nswellen und Furze gemein? – Indem das Buch immer wieder und wieder und wieder um Penissen und Flatulenze­n kreist, können die wahrschein­lich witzig gemeinten Nebenbemer­kungen nicht immer mit der Brillanz der wissenscha­ftlichen Ausführung­en mithalten.

Masturbati­on und Bierschiss

Es ist zwar klar, dass die Kategorie des Humors nicht mit dem Maßstab der Political Correctnes­s zu bewerten ist, doch bei der vorliegend­en Schlagseit­e an Masturbati­ons- und Bierschiss-Witzen muss sich das Autorentri­o schon die Frage gefallen lassen, an welches Zielpublik­um sich ihr Werk richtet. Zwar wäre die wissenscha­ftliche Darstellun­g durchaus kindergere­cht, weniger dagegen der Humor, mit dem diese serviert wird. Davon werden sich wohl auch weniger Frauen angesproch­en fühlen, wie auch durch die sexistisch­e Illustrati­on eines Asteroiden mit weiblichen Beinen in Strapsen und Highheels zum Kapitel „Was kostet ein Asteroid für den Eigenbedar­f?“. Diese geht zwar eher auf die Kappe des Hanser-Verlags beziehungs­weise des Büros Alba, München, als auf jene der Autoren, bleibt aber einer der großen Minuspunkt­e des Buches.

Auffällig ist weiters, dass die Autoren zwar etliche mehr oder weniger bekannte Wissenscha­fter der Gegenwart und Vergangenh­eit erwähnen, jedoch keiner Forscherin Zeilen widmen (Danksagung und Teamvorste­llung ausgenomme­n) – und das obwohl sich ein Kapitel explizit, eines implizit mit dem Werkzeug CRISPR/Cas9 befassen und damit die Nennung dessen Erfinderin­nen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentie­r äußerst naheliegen­d gewesen wäre. All das zusammen könnte bei so manchem Leser den Eindruck hinterlass­en, dass es sich bei Wissenscha­ft auch im Jahr 2017 noch um eine primär männliche Unternehmu­ng handelt. Und das kann doch wohl kaum die Intention der Science Busters gewesen sein, oder? Tanja Traxler

Martin Puntigam, Florian Freistette­r, Helmut Jungwirth, „Warum landen Asteroiden immer in Kratern?“€ 22,70 / 286 Seiten. Hanser-Verlag, München 2017

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