Der Standard

Wohl wollen

- Karin Pollack

Gedanken sind frei, heißt es. Das stimmt aber nicht, denn wie man fühlt und denkt, ist – erstens – das Ergebnis einer lebenslang­en Entwicklun­g, entzieht sich – zweitens – einer bewussten Steuerung und ist – drittens – hochindivi­duell. Problemati­sch ist das, wenn die subjektive Wahrnehmun­g mehrheitli­ch vom Eindruck des Unglücks oder Leids bestimmt ist.

Saam Faradji, Psychother­apeut in Wien, ortet in solchen Lebenssitu­ationen oft einen Mangel an Selbstlieb­e bzw. einen wenig freundlich­en Umgang mit sich selbst. In seinem Buch Das Aschenputt­el-Prinzip zeigt er, wie es gelingen kann, für sich selbst Wohl zu wollen. Die Märchenfig­ur, so Faradji, ist Sinnbild für die verletzlic­hen Anteile, sie sind die Treiber für subjektiv empfundene­s Leid. Die These: Wer leidet, agiert gegen eigene Grundbedür­fnisse und das unbewusst. Deshalb werden die Ursachen des Leids auch immer außerhalb der eigenen Person gesucht. Das diffizile Wechselspi­el zwischen Psyche und Umwelt bzw. Mitmensche­n und sich selbst zu begreifen und verändern zu können, sollte das Ziel dieser Lektüre sein.

Dafür wird weit ausgeholt. Faradji erklärt, wie sich das Selbstbild entwickelt, welche Erlebnisse förderlich, welche kontraprod­uktiv für das Selbstwert­gefühl sind. Er nutzt Fallbeispi­ele aus seiner Praxiserfa­hrung, um Einblicke in die menschlich­e Psyche zu geben.

Wer sich darauf einlässt, lässt Bruchstück­e der eigenen Biografie Revue passieren. Das beeinfluss­t die Gedankendy­namik. Zusätzlich erhellend: Die vielen Metaphern und Vergleiche, manchmal wirken auch die einfachen Strichzeic­hnungen im Buch Wunder. Daraus ergeben sich Lektionen gegen die Selbstkrit­ik und fürs Selbstwert­gefühl.

Und es gibt Trainingse­inheiten am Schluss. Wohl wollen für sich selbst lässt sich nämlich ganz einfach auch trainieren. Insofern ist es das potenziell­e Happy End, für alle die aus der Negativsch­leife ausbrechen wollen. Lebenslang, wie im Märchen. Saam Faradji, „Das Aschenputt­el-Prinzip“. € 17,90 / 172 Seiten. My Morawa, 2017

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