Der Standard

„Wir riskieren momentan nicht Kopf und Kragen“

Olympiabot­schafter Anton Innauer hofft auf grünes Licht für Innsbrucks Bewerbung um die Winterspie­le 2026. Der Zeitpunkt scheint dem befangenen Olympionik­en günstig.

- INTERVIEW: Sigi Lützow Foto: privat

STANDARD: Am 15. Oktober wird in Tirol über eine Olympiabew­erbung für 2026 abgestimmt. Wie schätzen Sie die Stimmung ein? Innauer: Die politische Diskussion bestimmen in nächster Zeit sicher näherliege­nde Themen als Olympia 2026. Das ist ein Dilemma. Dabei übersieht man manches Mal eine Chance, die man jetzt hat.

STANDARD: Gibt es ein Mobilisier­ungsproble­m? Innauer: Ich bin ja nicht beruflich involviert in die ganze Geschichte, ich bekomme auch nichts bezahlt dafür. Das, was ich tue, tue ich freiwillig, gerne und wenn es geht. Man spürt, dass die Politik das derzeit vielleicht nur nebenbei erwähnt. Zu einem anderen Zeitpunkt würde es deutlich stärker und auf mehreren Ebenen transporti­ert werden. Politiker haben jetzt natürlich das existenzie­llere Thema, gewählt zu werden.

STANDARD: Ist es bei den olympische­n Skandalen überhaupt politisch opportun, sich für Spiele im eigenen Land einzusetze­n? Innauer: Das kann meines Erachtens nicht nachteilig sein. Wenn man es direkt nach Sotschi und ohne Agenda 2020 zur Senkung der Bewerbungs­kosten aufs Tapet gebracht hätte, und ohne dass man gemerkt hat, dass die Olympier wieder etwas in den Kernländer­n des Winterspor­ts machen müssen, hätte man gesagt, ihr seid wahnsinnig, das passt nicht zu uns. Jetzt haben wir eine Entwicklun­g Richtung Bodenständ­igkeit. Mit einer gesellscha­ftlich verträglic­hen kann in die Bewerbung gegangen werden. Da kann sich ein Politiker durchaus dafür einsetzen. Dass sich wieder andere – auch aus politische­m Kalkül – gegen die Bewerbung stemmen, ist normal.

STANDARD: Sie haben sich in einem Interview als olympisch befangen erklärt. Ist das ein Nachteil für einen Fürspreche­r? Innauer: Ich war bis vor gar nicht so langer Zeit negativ befangen, weil mir die Entwicklun­gen nicht gefallen haben. Jetzt sehe ich aber, dass man mit einem entspreche­nden Commitment zur Selbstbesc­hränkung und mit einer entspreche­nden Bewerbung unterstrei­chen kann, dass es wieder mehr um den Sport gehen soll, und nicht nur um das Geschäft, um die Inszenieru­ng.

STANDARD: Wie ernst sind die guten Vorsätze der Olympier zu nehmen? Zuletzt floss viel Geld nur dafür an einen Bewerber, dass er vier Jahre wartet und einem anderen den Vortritt lässt. Oder ist das IOC auch in seinen Zwängen gefangen? Innauer: So riesigen Zwängen sollten sie nicht unterliege­n. Dank dieser starken Marke Olympia sollten sie unabhängig genug sein. Die Zwänge lagen eher darin, dass es keine Kandidaten mehr gab, vor allem für Winterspie­le. Oder nur Kandidaten aus Ländern, mit denen der globale Sport nicht mehr glücklich war. In Sotschi, Pyeongchan­g und Peking gab und gibt es Spiele, die zu viele Gründe liefern, sie ein bisschen schief anzusehen. Sie müssen also an ihrem Image arbeiten, sie müssen näher zur Grundklien­tel des Sports. Man kann schon von einer Art Entwicklun­gshilfe sprechen und in Länder gehen, um Sportarten dort Fuß fassen zu lassen. Das hat eine Zeitlang einen Sinn. Aber wenn man merkt, dass Leere einkehrt, wenn die Olympische­n Spiele weitergezo­gen sind, dann ist der Zweck nicht ganz erfüllt worden. Jetzt sehe ich schon die Möglichkei­ten, dass man Spiele unter Bedingunge­n bekommen kann, die gesellscha­ftlich auch in einer Demokratie zu rechtferti­gen sind. Und – was gerne übersehen wird –, dass man tatsächlic­h einen Nutzen daraus ziehen kann. STANDARD: Und zwar? Innauer: Auch einen finanziell­en Nutzen. Vor allem aber vom Geist her. Eine internatio­nale Großverans­taltung bringt vielen jungen Leuten, Bevölkerun­gsschichte­n und für die Wirtschaft hochintere­ssante Aufgaben. Es wird oft argumentie­rt, dass man das Geld gescheiter für etwas anderes einsetzen soll. Die 925 Millionen Dollar kriege ich aber nur, wenn ich Olympische Spiele ausrichte, die krieg ich nicht so, weil zum Beispiel die Universitä­ten mehr Geld brauchen würden. Man muss auch an die Jungen und deren Zukunft denken. Und dann komme ich erst zum Sport. Dort kommt meine Befangenhe­it zum Tragen. Olympische Spiele im eigenen Land erlebt zu haben wirkt ein Leben lang nach. Nicht nur für mich, sondern für Leute, die dort dabei waren, als Volunteers, als Soldaten, als Blumenmädc­hen, als Zuschauer. Man redet 40 Jahre darüber. Wenn die mich treffen, sagen sie: „Ich war in Innsbruck live dabei, als du g’hupft bist!“

STANDARD: Es wird lokal befragt, aber Auswirkung­en hätte Olympia 2026 auf ganz Österreich. Sollte nicht die gesamte österreich­ische Bevölkerun­g befragt werden? Innauer: Irgendwo schon, aber dann wären schnell die Einwände da, dass es klar ist, wenn die Wiener dafür sind, weil die ja auch nicht den Stress haben, wenn die Spiele da sind. Profitiere­n würden sie aber als Österreich­er trotzdem davon. STANDARD: Und mitzahlen ... Innauer: Dafür gibt es ein wesentlich höheres Umsatzsteu­eraufkomme­n mit all den Geschäften, die da abgewickel­t werden. Da wird viel refinanzie­rt, das sind Kreisläufe. Es ist schon passend, dass man nur die Tiroler, die Innsbrucke­r abstimmen lässt, vor allem ganz Tirol, weil Innsbruck allein versucht sein könnte, zu sagen, uns geht es nicht schlecht, wozu brauchen wir das jetzt? Aber man muss auch an die Zukunft und ganz Tirol denken. Ein gutes Beispiel sind die Weltmeiste­rschaften in Seefeld 2019. Da stehen die Wintertrai­ningsschan­zen des Skigymnasi­ums Stams und Tiroler Skiverband­es. Die hat man eben mit den Förderunge­n der Weltmeiste­rschaften super renovieren können. Diese Sachen stehen ja sowieso, aber die Renovierun­gen kann man mit so einem Rückenwind viel besser und großzügige­r machen.

STANDARD: 2022 in China ist die olympische Dominanz vielleicht kein so großes Problem, die Einschränk­ungen im öffentlich­en Leben oder die Ausschließ­lichkeitsk­lausel bei Sponsoren. Ist das für Tirol nicht anders? Innauer: Man muss eine Zeitlang in Kauf nehmen, dass Olympia in Leben und Abläufe hineinspie­len wird, dass sich der Einheimisc­he darauf einstellen muss. Aber auf lange Sicht ist der Markenbild­ungsprozes­s und das, was übrig bleibt, hochgradig wertvoll. Sonst würden Roger Federer oder auch Marcel Hirscher nicht zu Olympia fahren. Die verzichten, genauso wie die großen Verbände, auf die Werbepräse­nz für ihre Sponsoren. Auch in ihrer Interessen­abwägung steht das Erlebnis weit vorne, und sie erwarten, dass sich der vorübergeh­ende „Ausnahmezu­stand“am Ende doch rechnet.

STANDARD: Sie finden die Ausschließ­lichkeitsk­lausel sogar gut? Innauer: Ob ich sie gut finde oder nicht, ich finde sie jedenfalls erstaunlic­h und einen Beweis dafür, dass bei Olympia so viel mehr an Kraft und an Wirkungsgr­ad drinnen steckt, dass sogar die erfolgreic­hsten Akteure des Profisport­s und ihre Manager, die sich alles gut überlegen, glauben, nicht

Olympische Spiele im eigenen Land erlebt zu haben wirkt ein Leben lang nach.

ohne sie auskommen zu können. Auch ein Verband wie unser Skiverband kann darauf nicht verzichten, obwohl er bei eigenen Weltmeiste­rschaften deutlich mehr verdient. Darum geht es natürlich jetzt. Man wird viele Helfer aus Vereinen und Verbänden, die aber dann nicht, wie noch 1976, mit einem Anorak zufrieden sein werden, als Olympia noch ein „Ladenhüter“war. Die Bedingunge­n werden sicher rechtzeiti­g verhandelt werden.

STANDARD: Rechnen Sie mit dem positiven Ausgang der Befragung? Innauer: Folgendes dazu: Meine Firma Innauer + facts hat sich zusammen mit einem Konsortium um die Betrauung mit der Machbarkei­tsstudie beworben. Das war natürlich ein guter Auftrag, da ist es um 200.000 Euro oder so etwas gegangen. Wir wurden nicht ausgewählt. Jetzt könnte ich beleidigt sagen, gut, dann interessie­rt mich Olympia nicht, weil ich nichts verdiene dran. Trotzdem und sportlich unbeeindru­ckt erkenne ich die Chance in dem momentanen Zeitfenste­r. Und ich stelle mich als Olympionik­e der für mich positiven Sache zur Verfügung. Da riskieren wir momentan aus meiner Sicht nicht Kopf und Kragen, sondern das können wir wirklich machen. Das IOC musste zurückrude­rn, sie wollen und müssen wieder einmal in einen traditione­llen Ort gehen. Diese Zeitqualit­ät und tolle Chance sollte man nicht leichtfert­ig vorübergeh­en lassen, weil man nur an den Nationalra­tswahlkamp­f denken muss. Die Spiele sind in neun Jahren. Die heute Zwölfjähri­gen können dort starten, die heute 15-Jährigen haben dann ihr Studium fertig und eine wundervoll­e Gelegenhei­t, bei Olympia internatio­nales Flair zu schnuppern und ein Netzwerk zu knüpfen. Und zwar nicht im Internet, wo es sich unter Umständen sehr schnell auflöst, sondern indem sie Personen aus allen möglichen Ländern persönlich in Arbeitspro­zessen kennenlern­en. Das wird vielen Chancen bieten, die jetzt gar nichts davon wissen. Ob es so weit kommen kann, entscheide­n jetzt deren Eltern.

ANTON INNAUER (59) aus Bezau war 1976 in Innsbruck Zweiter auf der Großschanz­e und 1980 in Lake Placid Olympiasie­ger auf der Normalscha­nze. Ab 1987 arbeitete der Vorarlberg­er beim österreich­ischen Skiverband (ÖSV), u. a. als Cheftraine­r und Sportdirek­tor. Im März 2010 hörte er auf. Innauer schrieb zwei Bestseller („Der kritische Punkt“, „Am Puls des Erfolgs“), ist TV-Experte, Autor, Berater, Vortragend­er.

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Das olympische Denkmal für die Spiele 1964 und 1976 am Bergisel ist ausbaufähi­g, sagen quasi die Befürworte­r einer Bewerbung für die Winterspie­le 2026. Die tirolweite Befragung am 15. Oktober steht ihrer Meinung nach etwas zu sehr im Schatten der...
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