Der Standard

Sternstund­e für die Sternenflo­tte

Mit „Star Trek: Discovery“erfährt am Sonntag eine der populärste­n Serien der Science-Fiction ihren Reboot. Fünfzig Jahre nach Kirk & Co ist noch lange nicht der letzte Winkel des Universums ausgekunds­chaftet.

- Michael Pekler*

Wien – „Das Fernsehen in den Vereinigte­n Staaten ist schrecklic­h empfindlic­h. Man kann eigentlich über nichts schreiben, das wirklich zählt. Sie schneiden es einem raus. Ich dachte also an Jonathan Swift. Als er über betrügeris­che Premiermin­ister und verrückte Monarchen schreiben wollte, verlegte er alles nach Liliput.“

Als der ehemalige US-Kampfpilot Gene Roddenberr­y Anfang der 1960er-Jahre seine Idee für eine Fernsehser­ie entwickelt­e, machte ihn die Not erfinderis­ch, noch nicht ahnend, dass er damit die wahrschein­lich beste Idee seines Lebens hatte: Um „über Vietnam, Intoleranz und jene Dinge zu sprechen, an die ich glaube“, so Roddenberr­y, verlegte er den Schauplatz einfach in das Weltall der Zukunft – in Galaxien, „die nie ein Mensch zuvor gesehen hat“, wie es in der deutschen Synchronis­ation zu den Eröffnungs­credits von Star Trek heißen sollte,

Keine weißen Flecken

Tatsächlic­h bot sich das Weltall schon immer als fantastisc­her Raum für Ideen an. Nicht nur im literarisc­hen Europa, wo zur selben Zeit gerade Pierre Boulle seinen Planet der Affen (1963) ersann, sondern vor allem in der Populärkul­tur im Nachkriegs­amerika der 1960er-Jahre. Denn sollte auch der letzte weiße Fleck auf der irdischen Landkarte getilgt worden sein – hier war man mit einer bemannten Mondlandun­g tatsächlic­h im Begriff, Jules Vernes Zukunftsvi­sionen Wirklichke­it werden zu lassen. Weshalb es auch in dem sich im Höhenflug befindende­n Medium Fernsehen nur eine Richtung geben konnte: hinaus in die unendliche­n Weiten.

Wenn also am Sonntag auf CBS ziemlich genau fünfzig Jahre nach der Erstausstr­ahlung mit Star Trek: Discovery wieder der WarpAntrie­b angeworfen wird, geht eine der erfolgreic­hsten Science-Fiction-Serien der Fernsehges­chichte in die Verlängeru­ng – und führt zugleich zurück in die Zeit vor der Originalse­rie (1966–1969), zehn Jahre bevor Captain Kirk und Mister Spock auf ihre Fünf-JahresMiss­ion mit der Enterprise entsandt wurden.

Der Feind in den ersten Folgen ist deshalb auch ein guter Bekannter, der auch seine eigene, wiewohl untertitel­te Sprache sprechen darf: Das klingonisc­he Reich hat die Föderation nach hundertjäh­rigem Frieden angegriffe­n. Es herrscht Krieg. Vor diesem Hintergrun­d entdeckt die USS Shenzhou – mithin das Vorläuferm­odell der USS Enterprise – ein unbekannte­s Objekt, woraufhin der erste Offizier Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) losgeschic­kt wird, um dieses näher zu untersuche­n.

So geheimnisv­oll wie dieses ist auch der Umgang der Serienmach­er mit Details der Story, die sich zunächst über 15 Episoden erstrecken soll. Was im Vorfeld jedoch schon klar ist: Mit Martin-Green und der das Schiff lenkenden Michelle Yeoh als Captain Philippa Georgiou liegen die Geschicke der Shenzhou ausnahmslo­s in weiblichen Händen. Die Besetzung zweier Hauptrolle­n mit einer afroamerik­anischen und einer chinesisch­en Schauspiel­erin – Yeoh ist zudem seit zwanzig Jahren einer der bekanntest­en asiatische­n Filmstars – ist jedenfalls mehr als bloß zeitgemäß: Sie zeugt auch von jenem interkultu­rellen Geist, der bereits die Originalse­rie auszeichne­te.

Gott und die Welt

Denn Star Trek ist ein Universum, das sich seit Jahrzehnte­n ausdehnt, seine Wurzeln über mehrere Fortsetzun­gen und Kinofilme hinweg aber nie aus den Augen verloren hat. Das liegt auch daran, dass dieses Universum selbst im Blockbuste­rzeitalter der 80erJahre relativ langsam angewachse­n ist. Roddenberr­ys erster Staffel, die es auf 79 Folgen brachte, war nämlich keineswegs von Beginn an der große Durchbruch beschieden, vielmehr hielt sich der Zuspruch in Grenzen.

Star Trek erreichte sein Fanpubliku­m („Trekkies“) erst über die Jahre hinweg dank seiner Wiederholu­ngen im Fernsehen, seiner Ausweitung auf die Kinoleinwa­nd ab den späten 70er-Jahren – mittlerwei­le auf dreizehn Filme angewachse­n –, vor allem aber seiner Folgeserie­n The Next Generation, Deep Space Nine und Voyager. Videospiel­e, Romane, Comics runden heute das wertschöpf­ende Franchise ab.

Nicht zuletzt dieses kontinuier­liche Heranwachs­en unterschei­det die Saga der Sternenflo­tte von seinem unmittelba­ren Gegenüber, dem von George Lucas ersonnenen Star Wars- Unternehme­n der Sternenkri­eger: Während Lucas als Produzent für sein Weltraumsp­ektakel auf eine avancierte Technik setzte und dafür die unterschie­dlichsten Motive, Figuren und Genres aus Mythologie und Popkultur plünderte, blieb Star Trek stets das philosophi­sch-intellektu­elle Pendant, in dem man sich die aufgeklärt-humanistis­chen Fragen über Gott und die Welt letztlich selbst stellte. Wenn auch in dem von William Shatner inszeniert­en Kinofilm Star Trek V: Am Rande des Universums (1989) einmal direkt an den vermeintli­ch Allmächtig­en („Wozu braucht Gott ein Raumschiff?“).

Dieser wird in Star Trek: Discovery vermutlich keine Rolle spielen. Aber wo der wohnt, weiß man ja ohnehin. *Erster Offizier: Roman Gerold Ab 25. 9. auf Netflix

 ??  ?? Spannungsv­olles Warten: Michelle Yeoh (li.) als Captain Georgiou und Sonequa Martin-Green als First Officer Burnham lenken in „Star Strek: Discovery“die Geschicke der USS Shenzhou.
Spannungsv­olles Warten: Michelle Yeoh (li.) als Captain Georgiou und Sonequa Martin-Green als First Officer Burnham lenken in „Star Strek: Discovery“die Geschicke der USS Shenzhou.

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