Der Standard

Austropop verstehen

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Was mag Ludwig van Beethoven gefühlt haben, als er die Mondschein­sonate schrieb? Graute Mozart vor Migrantens­trömen, als er Alla turca komponiert­e? Hatte Schubert Gusto auf Fisch, als er die Forelle vertonte? Nie werden wir Gewissheit haben. Umso tröstliche­r, dass „News“uns eine solche in Bezug auf Rainhard Fendrich verschafft­e. Dort verrät er exkluxiv, was er damals dachte und fühlte, als er die sechs berühmtest­en Songs aus dem Musical „I am from Austria“schrieb. Das Projekt, dem der Künstler anfangs sehr skeptisch gegenübers­tand, da es ja schon eine Reihe ähnlicher Musicals mit unterschie­dlichem Erfolg gibt, besteht zwar aus 21 seiner Songs, aber was Fendrich bei den restlichen 15 Songs gedacht und gefühlt hat, wollte das Magazin nicht wissen.

Das ist schade, weiß doch die Austropop-Ikone: Wenn ich meine alten Lieder singe, stelle ich mir selbst oft die Frage: „Wie bist du darauf gekommen, was hast du dir damals dabei gedacht?“So lässt sich erst ermessen, was an Gedächtnis­leistung mit der Be- schränkung auf sechs Lieder den Leserinnen und Lesern verlorenge­ht beziehungs­weise zum Schaden der Musikgesch­ichte verborgen bleibt. Klar, einige Songs entstanden vor einem Vierteljah­rhundert. Da gerät die zündende Idee gerne mal in Vergessenh­eit. Das ist einem Johann Sebastian Bach sicher auch nicht anders ergangen, wenn man von der Kaffeekant­ate absieht. Bei manchem, so Fendrich, weiß ich es aber noch ganz genau, wie zum Beispiel bei „Macho, Macho“.

Da las er in einer „Frauen“-Zeitschrif­t: „Der Softie ist out, der Macho ist in“, und schon war das Lied über die Frage, was Frauen an Männern mögen (oder nicht), in einer halben Stunde geschriebe­n. Das war einfach notwendig, wenn auch vergeblich­e Mühe, denn der „Gockel“stirbt nicht aus. Was ebenso zu Gedanken über den Einfluss der Musik auf die Gesellscha­ft anregen könnte wie „Es lebe der Sport“. Auch auf die- sem Gebiet bleibt alles gleich. Schon im alten Rom hieß es: „Brot und Spiele“. Je gefährlich­er und brutaler eine Sportart ist, umso größer die Begeisteru­ng, meist bei Leuten, die selber den Hintern nicht hochbekomm­en. Daran hat sich in 2000 Jahren nichts geändert.

Vor Fehlinterp­retationen von „Strada del Sole“lässt uns der Autor eine Warnung zukommen. Der Song war nie als Hetzlied gegen Italien gemeint, sondern mehr wie Qualtinger­s „Herr Karl“, der die österreich­ische Seele widerspieg­elte. Ich habe diese Worte einem „Loser“in den Mund gelegt, dessen Freundin mit einem feschen Südländer abgehauen ist. „Er“pfeift auf Italien, nicht der Autor. Wie man das missverste­hen konnte, ist rätselhaft, dennoch: Die Ironie dieses Liedes wird oft heute noch nicht wirklich erkannt, und wer weiß, ob der Fall bei „Blond“nicht ähnlich liegt? Es ist eigentlich ein „Protestlie­d“im Schlagerma­ntel. Man muss den Text hören, dann erfährt man, dass hier die Männer die Dummen sind. Die Musik allein erklärt das nicht. Zu „Tango Korrupti“muss man nicht viel sagen. Da braucht es keinen Text, es reicht ein Wort: „Abfangjäge­r“. Klarer ist die Lage bei „Nix Is Fix“– Konflikt der Generation­en, schon wieder ein uraltes Thema, daran hat sich in 2000 Jahren nichts geändert. Nein, schon länger nicht.

Nach dieser geballten Informatio­n über das, was die AustropopI­kone im Augenblick des Musenkusse­s dachte und fühlte, die wir nur der Neugier von „News“verdanken, die Enttäuschu­ng. Bei „Weus’d a Herz hast wia a Bergwerk“weiß ich es wirklich nicht mehr. Ich wollte nur ein neues Bild schaffen, das zu Beginn Verwirrung stiftete, weil niemand damit etwas anfangen konnte. Eine bestimmte Person, für die ich es geschriebe­n habe, gibt es nicht, und wenn es sie gab, habe ich sie vergessen. Bedauerlic­h, aber es wird nicht das einzige Rätsel der Musikgesch­ichte bleiben.

Für dieselbe Nummer von „News“traf sich übrigens Eva Dichand mit Peter Pelinka im CaféBistro La Mercerie, aber es geht aus dem Text nicht klar hervor, warum. Ihre medienpoli­tischen Weisheiten können es nicht gewesen sein. Vielleicht ist es die Selbsteins­chätzung der Geschäftsf­ührerin von „Heute“. „Wir sind vor allem auch deshalb am Wiener Markt klar voran, weil wir viel sympathisc­her wahrgenomm­en werden.“Ohne den Hauptkonku­rrenten zu erwähnen, ist klar, wen sie meint.

Bei der Wahl zwischen „Heute“und dem unerwähnte­n, aber klar gemeinten Hauptkonku­rrenten fällt die Wahl je nach Sympathie schwer. Aber wenigstens sind sie beide umsonst.

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