Der Standard

Väter der Klamotte

„Wie man Hasen jagt“im Theater in der Josefstadt

- Margarete Affenzelle­r

Wien – Der wahre Nutzen der Komödie, so steht es bei Lessing geschriebe­n, liege in der „Übung unserer Fähigkeite­n, das Lächerlich­e zu bemerken. (...) Sogar in den Runzeln des feierliche­n Ernstes.“

In Sachen Lächerlich­keit gibt die Josefstädt­er Inszenieru­ng von Georges Feydeaus Monsieur Chasse (1892 uraufgefüh­rt) ausreichen­d Stoff. Es geht in diesem, hier der Übersetzun­g Elfriede Jelineks folgenden Stück Wie man Hasen jagt um den Vergeltung­sschlag eines ehelichen Seitenspru­ngs: Madame Léontine (Pauline Knof) will sich mit dem Hausfreund Moricet (Martin Niedermair) auf ein Schäferstü­ndchen einlassen, um es ihrem Gatten, den sie statt auf dem Jagdausflu­g bei einer Mätresse vermutet, gleichzutu­n. So!

Im Theater in der Josefstadt steigt Folke Brabands Inszenieru­ng, die in ihrer Klamottenk­istenhafti­gkeit viel besser in die Kammerspie­le gepasst hätte, mit einer hitzigen Szene ein: dem heftigen Stopfen von Patronenhü­lsen per Hand. Madame ist schließlic­h Gattin eines Waffenfabr­ikanten und hilft scheinbar gerne mit. Während der Hausherr, Monsieur Duchotel (Roman Schmelzer), die Vorbereitu­ngen zu seinem vermeintli­chen Jagdausflu­g im grünen Überwurfma­ntel inszeniert, delektiert sich das Patronenpä­rchen an zweideutig­en Redewendun­gen, etwa „Endlich zum Schuss kommen“.

Es werden Flintenhäl­se fest gerieben und unter der Gürtellini­e herumgefuc­htelt, sodass die schwüle Stimmung das boulevarde­ske Maß bald herzhaft erreicht. Das Persiflier­en der Rachegefüh­le und des damit verbundene­n scheinheil­igen Tuns gelingt in schnellen Schnitten und akkurater Mimik insbesonde­re Pauline Knof sehr gut, die als Protagonis­tin auch mit rustikaler Haute Couture ihren Wert zur Schau stellt. Groß und glitzernd ist ihre Robe für die vorsätzlic­he Eskapade, übertriebe­n schwülstig wie das rot tapezierte Boudoir, in das sie der galante, aber doch hormonell labile Moricet ausführt (Bühne und Kostüme: Stephan Dietrich).

Es gelingt der Inszenieru­ng leider selten, mit dieser ausgesucht­en Plumpheit wirklich zu spielen, sie für die Skurrilitä­t des Geschehens nutzbar zu machen. Pointen kündigen sich schon aus weiter Ferne an, Witzen entfleucht beim Zuendeerkl­ären die Wirkung, auch der Slapstick ist immer wieder bemüht. So wirkt die Komödie eingebrems­t. Auch atmet das Vaudeville des Doppelmora­lspezialis­ten Feydeau keinerlei Gegenwart. Wie im Harz der goldenen Ära Hollywoods konservier­t (der Frisur Madame Duchotels nach zu schließen), werden Geschlecht­erstereoty­pe abgefeiert: Die Dame ziert sich vor dem Sex und kreischt, der Herr nimmt sich, was er kriegen kann.

Der Elefant im Porzellanl­aden

Madame Latour (Elfriede Schüsseled­er) und Cassagne (Holger Schober) geben als veritable Nestroy-Figuren einen erfrischen­den Widerpart in diesem Amour-Hickhack der gehobenen Stände ab. Wirbelt die eine als moralische­r Fingerzeig im Staubwedel­kleid durch die Gemächer, so schlägt der andere mit wienerisch­er Bodenständ­igkeit wie ein Elefant im Porzellanl­aden Schneisen durch das dünne Gespinst an Lug und Betrug. Auch Alexander Strobele als Polizeikom­missar Bridois mit Überraschu­ng unterm Zylinder vollbringt herzhafte Auftritte in dieser etwas gar angestaubt­en Sittenstro­lchpartie.

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Foto: Erich Reismann Steh auf, wenn du am Boden liegst: „Wie man Hasen jagt“in der Josefstadt.

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