Der Standard

Sieg der Pragmatike­r

- Sebastian Borger

Zu Jahresbegi­nn setzte Theresa May ganz auf den harten Brexit mit vollständi­gem Austritt aus dem Binnenmark­t und der Zollunion. Um ihre konservati­ve Partei zu stärken, rief sie vorzeitige Wahlen aus und verschwend­ete sieben kostbare Wochen der ohnehin knappen Verhandlun­gszeit mit Brüssel. Ihrer extremen Haltung mochten die Briten aber nicht folgen. Seit dem Urnengang im Juni steht May mit einer Minderheit­sregierung schwach da – eine Premiermin­isterin für eine Übergangsf­rist.

Die Florenzer Rede trägt der neuen Situation Rechnung. Erstmals bat May öffentlich um eine zweijährig­e Übergangsf­rist für ihr Land nach dem Austritt Ende März 2019. Weil während dieser Zeit die vereinbart­en Zahlungen aus London weiterflie­ßen, muss sich die EU nicht mehr um ihren bis Ende 2020 laufenden Finanzplan sorgen. Unternehme­n zu Beiden Seiten des Kanals gewinnen Zeit für die Planung. So weit, so gut – ein Sieg für die pragmatisc­he Fraktion im zerstritte­nen Londoner Kabinett.

Unklar bleibt, wie die Reise danach verlaufen soll. Das liegt daran, dass die EU-Hasser die von der Wirtschaft bevorzugte größtmögli­che Nähe zum Binnenmark­t ablehnen. Man kann Großbritan­nien nur wünschen, dass der Einfluss von Johnson, Gove & Co weiter abnimmt. Die EU-Staaten könnten dazu beitragen, indem sie ebenso die Hardliner in Brüssel an die Kandare nehmen und einem pragmatisc­hen, für alle Seiten positiven Nebeneinan­der den Weg ebnen.

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