Der Standard

Das Land, in dem die Stangen wachsen. Gedanken zur hiesigen Pollerkult­ur

- Die Krisenkolu­mne Von Christoph Winder

Erst wird vor dem Bundeskanz­leramt ein Graben ausgehoben, dann bläst man das Projekt nach Bürgerprot­esten ab – ein klassische­s Beispiel österreich­ischer Loch-auf-Loch-zu-Politik also. Der Jihadist aber, der sich schon darauf gefreut hatte, ungebremst mit 180 km/h in den nächsten Ministerra­t hineinzubr­ettern, hat sich zu früh gefreut.

Denn statt Graben oder Mauer wird seinen Absichten ein ande- res Objekt im Wege stehen. Die Rede ist natürlich vom Poller, nein, zutreffend­er: von den Pollern. Wieso die und nicht der Poller? Weil ein Poller niemals allein kommt. Es gibt in der Stadt nichts, was sich maßloser vermehrte und exzessiver wucherte als der Poller. In seinem Verbreitun­gsdrang nähme er es mit den Pollen, in Sachen Aufdringli­chkeit auch nicht von Pappe, problemlos auf.

Poller sind die städtebaul­iche Lieblingsw­underwaffe gegen jede urbane Gefahr. Sie schützen vor Jihadisten, und sie schützen vor entfesselt­en Autofahrer­n, welche ihr heilig’s Blechle schamlos auf jedem österreich­ischen Trottoir parkieren würden, wenn sie kein Poller daran hinderte. Und dies tun unsere Poller hocheffizi­ent! Eher ginge ein Kamel durch ein Nadelöhr denn ein SUV durch ein perfekt positionie­rtes Pollerport­al!

Die Funktional­ität der Poller hat ihren Preis. Poller sind hässlich. Das gilt besonders für die bunkerten, versenkbar­en Betonpolle­r. Sie entfahren dem Boden wie stämmige Riesennude­ln und provoziere­n bei keuschen Beobachter­n unangenehm­e sexuelle Assoziatio­nen. Nicht minder penetrant ist der aus dem Randstein hervorwach­sende, schlanke Poller aus Gusseisen.

Man kann eine Autotür problemlos zu Klump schlagen, wenn man sie unvorsicht­ig neben solchen Pollern öffnet. Zudem besteht für uns Männer die Gefahr, versehentl­ich mit den Hoden gegen die bei vielen Pollern zu Schmuckzwe­cken in Genitalhöh­e angebracht­en Gusseisenk­nuddel zu donnern. Das hätte zur Folge, dass man sich nach dem dritten Dagegendon­nern keine Gedanken mehr um die Empfängnis­verhütung machen muss.

Die rapide Zunahme der heimischen Pollerpopu­lation zeigt eines deutlich: Österreich ist ein Land, in dem die Stangen wachsen. Dabei haben wir heute nur von Pollern und nicht von den Windrädern gesprochen, die das Staatsgebi­et großflächi­g überziehen. Darüber reden wir aber gern ein andermal. Versproche­n!

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