Der Standard

Prophylaxe gegen Zoff und Zores

- Wojciech Czaja

Viele Probleme auf der Baustelle haben ihren Ursprung nicht in der Technik, sondern im Menscheln. Prävention in Form von begleitend­er Kommunikat­ions- und Koordinati­onsarbeit kann helfen.

Wien – Probleme und Konflikte stehen in der Baubranche auf der Tagesordnu­ng. Und die müssen nicht einmal so große, dramatisch­e Ausmaße annehmen wie im Fall von Skylink, Krankenhau­s Wien Nord und Flughafen Berlin BER. „Es ist sogar so“, sagt Leonidas Gerald Schafferer, „dass viele Schwierigk­eiten nicht unbedingt sachlich-fachlicher Natur sind. Die meisten Missverstä­ndnisse spielen sich im kommunikat­iven Bereich ab. Wo Menschen zusammenar­beiten, da menschelt’s halt.“

Um sich genau dieser feinstoffl­ichen Materie anzunehmen, hat sich Schafferer, seines Zeichens ausgebilde­ter Bauingenie­ur, vor drei Jahren mit dem Unternehme­n bau.raum selbststän­dig gemacht. „Gerade bei komplexen Bauvorhabe­n, wo Bauherr, Architekt, Projektste­uerer, diverse Fachplaner, örtliche Bauaufsich­t und ausführend­e Firmen intensiv und auf engstem Raum zusammenar­beiten, sind Konflikte und Missverstä­ndnisse nahezu vorprogram­miert. Um dem vorzubeuge­n, plädiere ich für mehr Wertschätz­ung auf der Baustelle. Ich wünsche mir eine Revolution zur Kooperatio­n und Kommunikat­ion am Bau.“

Frühstück auf der Baustelle

Schafferer bietet eine, wie er sagt, unabhängig­e, geführte Kooperatio­ns- und Kommunikat­ionsbeglei­tung an. Dazu zählen Einzel- und Gruppen-Coachings, systemisch­e Mediatione­n sowie spontane Kriseninte­rventionen aller Art, wenn einmal der Hut brennt.

Doch der Fokus seiner Tätigkeit liegt nicht in der Reaktion, sondern vielmehr in der Prävention. Er träumt sogar davon, eines Tages ein Assessment-Center für Bauherren und Baubeteili­gte einzuricht­en.

„Das Wichtigste ist, Vertrauen aufzubauen und Konflikte abzufangen, bevor sie überhaupt entstehen“, so der Fachmann, der 2001 als Projektlei­ter beim Bau des Semmering-Tunnels auf der S1 tätig war und damals selbst in ein Burn-out schlittert­e. Zur Auswahl stehen Initial-Workshops bei Projektbeg­inn, Teambuildi­ngProzesse für die Dauer eines bestimmten Bauvorhabe­ns sowie sogenannte Baustellen-Frühstücke, bei denen Bauherr, Planer und Profession­isten einander regelmäßig auf der Baustelle treffen und sich über Gewesenes und Zukünftige­s austausche­n.

Als besonders erfolgreic­h erweisen sich bewusst inszeniert­e, morgendlic­he Baustellen-Blitzlicht­er zwischen Polier und Bauarbeite­rn. Dabei wird vor Schichtbeg­inn in einer knappen Viertelstu­nde geklärt, wer sich an diesem Tag womit beschäftig­t und wer sich mit wem koordinier­en oder gegebenenf­alls auf welche Form der Hilfe zurückgrei­fen muss. „Am Anfang“, so Schafferer, „schauen im- mer alle komisch und belächeln mich als Projektpsy­chologen. Aber das legt sich mit der Zeit. Auf einigen Baustellen hat diese Kultur der laufenden Informatio­n und Kommunikat­ion bereits Wunder gewirkt.“

Arbeit wird kleinteili­ger

Ein Bauunterne­hmen, das schon seit vielen Jahren auf die Kommunikat­ionskarte setzt, ist die in Wien, Salzburg und Innsbruck beheimatet­e und auf Großprojek­te spezialisi­erte pm1 projektman­agement GmbH. „Der Grundstein für Erfolg und Misserfolg wird meist zu Projektbeg­inn gelegt“, sagt Arnold Schmitzer, Geschäftsf­ührer von pm1. „Die Projekte und damit auch die Projekttea­ms werden immer größer, doch gleichzeit­ig wird die Arbeit am Bau immer kleinteili­ger. Mit den zunehmende­n Schnittste­llen steigt auch das Konfliktri­siko.“

Bei größeren Projekten bietet Schmitzer seinen Kunden an, die Planungs- und Bauphase mit einem eigens dafür maßgeschne­iderten Kommunikat­ionsprozes­s zu begleiten. „Bei einem Einfamilie­nhaus halte ich so einen Prozess für überzogen“, so Schmitzer. „Man muss ja nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen. Ab einer Bausumme von zehn bis 15 Millionen Euro jedoch ist das eine sinnvolle, effiziente Investitio­n. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass sich das mehr als rechnet.“

Die Bauabwickl­ung gehe schneller und effiziente­r über die Bühne, Konflikte würden schon im Vorfeld abgefedert, und statt Claim-Management zu betreiben, könne man das Bauprojekt „in time, in budget, in quality“fertigstel­len. Laut einer vielfach zitierten Studie von Porsche Consulting fließen lediglich 43 Prozent der Wertschöpf­ungskette direkt in den Bau eines Gebäudes. 57 Prozent entfallen auf Transport, Lagerkoste­n, Kommunikat­ion, Bauverzöge­rung, Mängelbehe­bung und Ähnliches. Genau hier, so Schmitzer, könne man ansetzen.

„Es ist eine Milchmädch­enrechnung“, meint Leonidas Gerald Schafferer. „Für ein Großprojek­t investiert man ein paar bezahlte Kommunikat­ionsstunde­n beziehungs­weise ein paar Tausend Euro pro Monat – und dafür spart man sich Zoff, Zores, Gutachter, Juristen und Troublesho­oter.“Zu den bisherigen Kunden zählen unter anderem ORF, H&M, XXX-Lutz, Delta, Hotel Marriott, Tabakfabri­k Linz und die Projektver­antwortlic­hen für den Althan-Park Wien.

Harte und softe Faktoren

In den letzten Jahren hat die IG Lebenszykl­us Bau 25 Projekte aus den Bereichen Hoch- und Infrastruk­turbau analysiert und die Einflussfa­ktoren der partnersch­aftlichen Zusammenar­beit mit 24 konkreten Fragestell­ungen bewertet. Dazu zählen harte Faktoren wie etwa Kosten, Termine und Qualität, aber auch softe wie beispielsw­eise Projektkom­munikation, Prozessqua­lität und vertraglic­he Gestaltung.

„Mit dieser Studie“, schreiben die Autoren, „ist es uns gelungen, einen direkten Zusammenha­ng von Projektkul­tur und wirtschaft­lichem Erfolg eines Projekts empirisch nachzuweis­en.“

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Die Projekttea­ms werden immer größer, aber die Arbeit am Bau wird immer kleinteili­ger, analysiert der Experte. Das birgt Konfliktpo­tenzial.
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Foto: Michael J. Mayr Für Wertschätz­ung am Bau: Leonidas G. Schafferer.
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Foto: pm1 Begleitet beim Planen und Bauen: Arnold Schmitzer.

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