Aufbruch ins Ungrewisse
Steuern, Miete, Asyl, Dieselgate. Es ist jetzt von allen Parteien alles gesagt, morgen sind 61,5 Millionen Deutsche zur Wahl aufgerufen. Und dann scheint es nur noch eine Frage zu geben: Mit wem geht Angela Merkel in ihre vierte Amtszeit? Fährt sie vielle
Die SPD schläft jetzt gar nicht mehr. Bis zur letzten Minute machen die Genossen im WillyBrandt-Haus in Berlin durch, beantworten durchgehend per Mail oder Telefon Fragen. SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz wirbt am Samstag noch einmal bei einer Großkundgebung in Aachen, unweit seiner Heimatstadt Würselen, für sich.
Kanzlerin Angela Merkel zeigt am Samstag erneut in ihrem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern Präsenz. Sie will nicht, dass dort der Direktkandidat der AfD zu viele Stimmen bekommt. Was die AfD betrifft, so ist zumindest eines klar: Egal, wie stark sie wird, niemand will mit ihr koalieren.
Doch es gibt ja auch Wünsche, die man positiv formulieren kann.
Darin ist Martin Schulz sehr gut. „Ich will Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden“, sagt er allen schlechten Umfragewerten zum Trotz. Er hat Merkel auch schon den Job der Vizekanzlerin in einer rot-schwarzen Koalition angeboten.
Doch man kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass daraus nichts wird, die SPD liegt einfach zu weit hinter der Union. Es bliebe für Schulz noch eine Option, nämlich ein rot-rot-grünes Bündnis mit Grünen und Linken. Aber für dieses sehen die Meinungsforschungsinstitute keine Mehrheit. Paradox: In den vergangenen vier Jahren hätte es eine parlamentari- sche Mehrheit für dieses Bündnis gegeben, aber es fehlte der Mut zur Umsetzung.
Man kann also davon ausgehen, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin bleibt. Die Frage ist nur: Mit wem wird sie regieren? Merkel selbst äußert sich dazu nicht. Sie hat einmal die FDP den „natürlichen Koalitionspartner“der Union genannt. Doch hinter vorgehaltener Hand heißt es in Berlin, Merkel habe eigentlich gar nichts gegen eine Fortsetzung der großen Koalition in ihrer vierten Amtszeit.
Es wäre dann ihre dritte Zusammenarbeit mit der SPD. Die erste erfolgte von 2005 bis 2009, dann kamen die schwarz-gelben Jahre mit der FDP, ab 2013 bildete Merkel die aktuelle „GroKo“. Merkel wird ohnehin spöttisch die beste sozialdemokratische Kanzlerin, die Deutschland je hatte, genannt.
SPD-Basis rebelliert
Schließlich hat sich Merkel im Laufe der Jahre viele Positionen der SPD zu eigen gemacht: Aussetzung der Wehrpflicht, Einführung des Mindestlohns, Ausbau von Kindergärten. Zum Schluss gab sie – auf Druck der SPD – sogar ihren Widerstand gegen die Ehe für alle auf.
Doch es ist mehr als fraglich, ob die Sozialdemokraten in eine neuerliche große Koalition einsteigen. Diesbezüglich gibt es zwei Denkschulen. Die einen sagen: Auch wenn wir nicht den Kanzler stellen, wir müssen auf jeden Fall mitregieren, um wenigstens ein paar rote Positionen durchsetzen zu können. Die anderen meinen: Wir müssen uns in der Opposition sammeln und regenerieren und dann 2021 die Wende mit Rot-RotGrün schaffen.
Entscheidend wird ohnehin sein, was – im Falle des Falles – die Basis sagt. Sie soll, wie schon 2013, wieder die Zustimmung zum Koalitionsvertrag geben. „Viele unserer Mitglieder wollen nicht mehr Juniorpartner unter Merkel sein, sie haben Angst, dass wir dann bei der nächsten Wahl hinter der AfD landen“, sagt ein führendes SPD-Mitglied.
Dreierbündnis möglich
Aber möglicherweise muss es ja gar nicht zur Fortsetzung der großen Koalition kommen, weil sich ein anderes Bündnis findet. Hoch im Umfragekurs steht ein JamaikaBündnis aus Union, FDP und Grünen. Benannt wurde es nach den Farben der jamaikanischen Flagge (Schwarz, Gelb, Grün). Es ist in den letzten Umfragen neben der großen Koalition eine rechnerische Möglichkeit. Und es wäre ein Novum auf Bundesebene.
„Ich kann meiner Bundespartei berichten, dass ein solches Bündnis funktioniert, wenn die Menschen, die daran beteiligt sind, einander vertrauen“, sagt Daniel Günther. Der CDU-Mann ist Ministerpräsident in Schleswig-Holstein und der erste Regierungschef in Deutschland, der (seit Ende Juni) mit einem JamaikaBündnis regiert.