Der Standard

Nach der Wahlschlap­pe gärt es in der CSU

CSU-Chef Horst Seehofer gerät immer mehr unter Druck. Nach dem schlechten Abschneide­n seiner Partei häufen sich die Rücktritts­forderunge­n an ihn. Er verweist seine Kritiker auf den Parteitag im November und will vor Jamaika- Gesprächen die leidige Obergre

- Birgit Baumann aus Berlin p Kommentar auf dSt.at

Die Großen und Wichtigen in der CSU, also jene, die gleich hinter dem Parteichef und bayerische­n Ministerpr­äsidenten kommen – sie alle stehen zu Horst Seehofer. Noch. Kein böses Wort ist derweil vom bayerische­n Finanzmini­ster Markus Söder oder von Innenminis­ter Joachim Herrmann zu hören.

Aber an der Basis grummelt es unüberhörb­ar. Seit Seehofer am Sonntag einräumen musste, dass die CSU mehr als zehn Punkte bei der Wahl verloren hatte, gab es bereits einige Rücktritts­forderunge­n. So schreibt der Chef des CSUKreisve­rbands Nürnberg-West, Jochen Kohler, auf seiner FacebookSe­ite: „Die personelle­n Weichen müssen an der Parteispit­ze neu gestellt werden. Wenn nicht jetzt ein Neuanfang kommt – wann dann?“

Er kritisiert, die CSU habe „auch aufgrund der Wankelmüti­gkeit unseres Parteivors­itzenden“am Sonntag „eine deftige Klatsche“bekommen. Auch Thomas Zehmeister, Chef des Ortsverban­ds Großhabers­dorf, Mittelfran­ken, fordert Seehofer auf, „mit sofortiger Wirkung sein Amt als CSUParteiv­orsitzende­r niederzule­gen um den Weg für einen personelle­n Neuanfang freizumach­en“.

„Ich glaube, wir brauchen einen anderen Spitzenkan­didaten für die Landtagswa­hl“, sagt der CSULandtag­sabgeordne­te Alexander König und macht auch gleich einen Vorschlag. Er hält Söder für den „geeigneten Kandidaten“.

Termin im Kanzleramt

Dem werden zwar große Ambitionen nachgesagt, aber Seehofer will die Landtagswa­hl im Herbst 2018 noch selbst bestreiten. Allerdings überhört auch er die Unruhe an der Basis nicht. Am Dienstag ließ er Bayern zunächst hinter sich, um nach Berlin zu fliegen.

Dort konstituie­rte sich die Unionsfrak­tion, außerdem kam die CSU-Landesgrup­pe zu ihrem ersten Treffen zusammen. Und Seehofer hatte einen Termin mit Kanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt. Als er später auf die Rücktritts­forderunge­n angesproch­en wird, erklärt er: „Ich sehe, dass nach dieser Wahl nicht nur in der CSU Fragen gestellt werden.“

Das sei „demokratis­che Normalität“. Aber, so Seehofer ganz ru- hig: „Es geht um den richtigen Stil und den richtigen Platz.“Und der sei im November am CSU-Parteitag, dort könne man Debatten führen. „Alles andere ist nicht hilfreich.“Das wolle er auch am Mittwoch allen in der Landtagsfr­aktion in München klarmachen.

Jetzt will Seehofer erst einmal ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP zustande bringen. Diesbezügl­ich habe er eine „große Zuversicht im Herzen“und einen Fahrplan im Kopf: „Wir werden mit der CDU einige Dinge klären und dann mit möglichen Partnern abklären, was möglich ist.“

Natürlich wird es dabei wieder um die leidige Frage der Obergrenze bei Flüchtling­en gehen – die Vorstellun­g der CSU liegt ja bei 200.000 Menschen pro Jahr. Doch Merkel, die dies ablehnt, hat nach der Wahl schon angekündig­t, sie sehe nicht, was sie ändern solle.

Strikte Stabilität beim Euro

Aber auch die CSU bleibt bei ihren Vorstellun­gen. Er könne sich nicht vorstellen, dass die CSU einen Koalitions­vertrag ohne Obergrenze unterschre­ibe, sagt Söder. Innenminis­ter Herrmann meint auch, man sei „nicht be- reit“, auf eine Begrenzung zu verzichten. „Es geht nicht nur um die Obergrenze, sondern auch um ein in sich geschlosse­nes Regelwerk“in der Asylpoliti­k nennt er gleich noch weitere rote Linien für die Verhandlun­gen: „Beim Euro gilt der Grundsatz strikte Stabilität.“Und den Schengenra­um könne man derzeit nicht erweitern, da die Außengrenz­e nicht sicher sei.

Doch Seehofer ist zuversicht­lich, dass er mit Merkel auf einen grünen Zweig kommen werde. Gefragt, wie das Verhältnis zu ihr nun sei, antwortet er: „Es ist unveränder­t gut.“Allerdings werde er bei Koalitions­gesprächen „keine schrägen Kompromiss­e machen“. Das sagt er aber mehr Richtung Grüne, die er auch gleich noch daran erinnert: „Wir sind ein Agrarland und ein Autoland.“

Dobrindt führt Landesgrup­pe

Die CSU-Landesgrup­pe wird künftig von Alexander Dobrindt geführt, der, bis die neue Regierung steht, auch Verkehrsmi­nister bleibt. Den neuen Stil der Landesgrup­pe beschreibt Dobrindt so: „Klar, direkt, konservati­v.“

Im Jamaika-Verhandlun­gsteam der Grünen werden unter anderem Exfraktion­schef Jürgen Trittin und Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n vertreten sein. Nach einer Infratest-Dimap-Blitzumfra­ge für die ARD sind mittlerwei­le 57 Prozent der Deutschen einer Jamaika-Koalition gegenüber positiv eingestell­t.

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F.: dpa / Kay Nietfeld Frauke Petry und ihr Gatte Marcus Pretzell wollen der AfD Ade sagen.
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F.: AFP/Stache Horst Seehofer nimmt das Grummeln an der CSU-Basis wahr, verweist Kritiker aber auf den Parteitag.

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