Der Standard

Kerns „Österreich“-Boykott hat kaum Schlagkraf­t

Der SPÖ-Chef lässt seine Partei nicht mehr im Boulevardb­latt „Österreich“inserieren – als Reaktion auf untergriff­ige Berichte über seine Person. Tatsächlic­h fließt das meiste Geld aber aus den roten Ministerie­n.

- Sebastian Fellner

Wien – Für Wolfgang Fellner ist die Sache klar: Christian Kern (SPÖ) verhalte sich wie eine „Super-Mimose“mit „Hyper-Empfindlic­hkeiten“, schreibt der Österreich­Herausgebe­r. Der Bundeskanz­ler selbst sieht in der – wiederholt­en – Berichters­tattung über eine SPÖinterne „Schwächena­nalyse“in Fellners Tageszeitu­ng Österreich „eine Kampagne und einen Angriff auf die politische Kultur im Land“, wie er auf Facebook schreibt.

Deswegen kündigte Kern an, dass die SPÖ in Österreich keine Inserate mehr schalten und der Parteichef selbst auch keine Interviews in der Zeitung und Fellners Fernsehsen­der oe24.tv mehr geben würde. „Wird es im Wahlkampf helfen? Gewiss nicht, das ist mit bewusst“, sagte Kern dazu am Dienstag. Aber: „Irgendwo gibt es Grenzen.“Kern wurde in einem von einem Ex-SPÖ-Mitarbeite­r verfassten Dossier Eitelkeit, ein „Glaskinn“sowie ein Auftreten wie eine „Prinzessin“vorgeworfe­n – was Fellners Boulevardb­latt zuletzt mit einer Fotomontag­e des Kanzlers in einem Prinzessin­nenkleid illustrier­te.

Fellner gibt sich von Kerns Boykott unbeeindru­ckt und verweist auf STANDARD- Anfrage darauf, dass das stornierte Inseratenv­olumen der SPÖ ohnehin nur 50.000 Euro betragen hätte – „sogar die Neos haben ein größeres Wahlkampfb­udget bei uns“.

Viel Werbung aus Ministerie­n

Tatsächlic­h machen die Parteiinse­rate für die meisten Zeitungen das Kraut nicht fett. Die Recherchep­lattform Dossier zählt seit Anfang September entgeltlic­he Einschaltu­ngen in sechs bundesweit erscheinen­den Tageszeitu­ngen und addiert die Listenprei­se der Inserate ohne die üblichen, teils beträchtli­chen, Rabatte.

Das Ergebnis, Stand Freitag: Insgesamt warben öffentlich­e Stellen und Parteien im Bruttowerb­ewert von 6,13 Mio. Euro. Weniger als ein Zehntel davon, 544.228 Euro, kamen laut der Dossier- Auswertung von Parteien. Um stolze 1.638.600 Euro dagegen warben Ministerie­n – zwei Drittel der Einschaltu­ngen stammen dabei aus SPÖ-geführten Ressorts (siehe Grafik). Der größte Teil der Inserate von öffentlich­en Stellen und Parteien ging dabei an die Boulevardb­lätter Kronen Zeitung, Heute und Österreich – insgesamt fast 4,5 Mio. Euro.

Der ehemalige SPÖ-Chef und Bundeskanz­ler Alfred Gusenbauer kündigt rechtliche Schritte gegen Österreich an. Konkret fordert Gusenbauer­s Anwalt Michael Rami (der auch die FPÖ vertritt) Gegendarst­ellungen wegen der Behauptung, die unschmeich­elhafte Analyse Kerns stamme vom „Team Gusi“, von seinen „engsten Mitarbeite­rn“oder aus seinem „Büro“. Das sei, so steht es in der Aufforderu­ng zur Gegendarst­ellung, die dem STANDARD vorliegt, „insoweit unwahr, als Dr. Alfred Gusenbauer mit diesem Dokument weder direkt noch indirekt etwas zu tun hat“.

Aus Christian Kerns Büro heißt es auf Nachfrage, dass er keine rechtliche­n Schritte gegen Österreich plane.

Fellner kündigt an, Gusenbauer­s Gegendarst­ellung „selbstvers­tändlich“zu veröffentl­ichen. Das geschehe „allein aus Gründen der Fairness“, wenngleich er sich „über eine Klage sehr freuen“würde. Denn „dann würde vor Gericht geklärt werden, wie es zu diesem Papier gekommen ist“. Außerdem habe Fellner in seiner Zeitung „nie behauptet, dass Gusenbauer das (Negativ-Dossier, Anm.) geschriebe­n“habe.

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 ??  ?? „Glaskinn“-Vorwürfe und Prinzessin­nen-Fotomontag­en: SPÖ-Chef Christian Kern wehrt sich mit einem Boykott gegen „Österreich“.
„Glaskinn“-Vorwürfe und Prinzessin­nen-Fotomontag­en: SPÖ-Chef Christian Kern wehrt sich mit einem Boykott gegen „Österreich“.

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