Kerns „Österreich“-Boykott hat kaum Schlagkraft
Der SPÖ-Chef lässt seine Partei nicht mehr im Boulevardblatt „Österreich“inserieren – als Reaktion auf untergriffige Berichte über seine Person. Tatsächlich fließt das meiste Geld aber aus den roten Ministerien.
Wien – Für Wolfgang Fellner ist die Sache klar: Christian Kern (SPÖ) verhalte sich wie eine „Super-Mimose“mit „Hyper-Empfindlichkeiten“, schreibt der ÖsterreichHerausgeber. Der Bundeskanzler selbst sieht in der – wiederholten – Berichterstattung über eine SPÖinterne „Schwächenanalyse“in Fellners Tageszeitung Österreich „eine Kampagne und einen Angriff auf die politische Kultur im Land“, wie er auf Facebook schreibt.
Deswegen kündigte Kern an, dass die SPÖ in Österreich keine Inserate mehr schalten und der Parteichef selbst auch keine Interviews in der Zeitung und Fellners Fernsehsender oe24.tv mehr geben würde. „Wird es im Wahlkampf helfen? Gewiss nicht, das ist mit bewusst“, sagte Kern dazu am Dienstag. Aber: „Irgendwo gibt es Grenzen.“Kern wurde in einem von einem Ex-SPÖ-Mitarbeiter verfassten Dossier Eitelkeit, ein „Glaskinn“sowie ein Auftreten wie eine „Prinzessin“vorgeworfen – was Fellners Boulevardblatt zuletzt mit einer Fotomontage des Kanzlers in einem Prinzessinnenkleid illustrierte.
Fellner gibt sich von Kerns Boykott unbeeindruckt und verweist auf STANDARD- Anfrage darauf, dass das stornierte Inseratenvolumen der SPÖ ohnehin nur 50.000 Euro betragen hätte – „sogar die Neos haben ein größeres Wahlkampfbudget bei uns“.
Viel Werbung aus Ministerien
Tatsächlich machen die Parteiinserate für die meisten Zeitungen das Kraut nicht fett. Die Rechercheplattform Dossier zählt seit Anfang September entgeltliche Einschaltungen in sechs bundesweit erscheinenden Tageszeitungen und addiert die Listenpreise der Inserate ohne die üblichen, teils beträchtlichen, Rabatte.
Das Ergebnis, Stand Freitag: Insgesamt warben öffentliche Stellen und Parteien im Bruttowerbewert von 6,13 Mio. Euro. Weniger als ein Zehntel davon, 544.228 Euro, kamen laut der Dossier- Auswertung von Parteien. Um stolze 1.638.600 Euro dagegen warben Ministerien – zwei Drittel der Einschaltungen stammen dabei aus SPÖ-geführten Ressorts (siehe Grafik). Der größte Teil der Inserate von öffentlichen Stellen und Parteien ging dabei an die Boulevardblätter Kronen Zeitung, Heute und Österreich – insgesamt fast 4,5 Mio. Euro.
Der ehemalige SPÖ-Chef und Bundeskanzler Alfred Gusenbauer kündigt rechtliche Schritte gegen Österreich an. Konkret fordert Gusenbauers Anwalt Michael Rami (der auch die FPÖ vertritt) Gegendarstellungen wegen der Behauptung, die unschmeichelhafte Analyse Kerns stamme vom „Team Gusi“, von seinen „engsten Mitarbeitern“oder aus seinem „Büro“. Das sei, so steht es in der Aufforderung zur Gegendarstellung, die dem STANDARD vorliegt, „insoweit unwahr, als Dr. Alfred Gusenbauer mit diesem Dokument weder direkt noch indirekt etwas zu tun hat“.
Aus Christian Kerns Büro heißt es auf Nachfrage, dass er keine rechtlichen Schritte gegen Österreich plane.
Fellner kündigt an, Gusenbauers Gegendarstellung „selbstverständlich“zu veröffentlichen. Das geschehe „allein aus Gründen der Fairness“, wenngleich er sich „über eine Klage sehr freuen“würde. Denn „dann würde vor Gericht geklärt werden, wie es zu diesem Papier gekommen ist“. Außerdem habe Fellner in seiner Zeitung „nie behauptet, dass Gusenbauer das (Negativ-Dossier, Anm.) geschrieben“habe.