Der Standard

SPÖ schießt sich auf konservati­ve Umweltpoli­tik ein

Kanzler Kern will agrarische Lobbys für Biomasse-Einsatz zurückdrän­gen

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Wien – Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) greift die seit 30 Jahren von der ÖVP verantwort­ete Umweltpoli­tik an, die seiner Ansicht nach zu viel Rücksicht auf die Landwirtsc­haft nimmt. Ein wichtiger Baustein ist dabei die Förderung der Biomasse, also etwa die Energiegew­innung und Heizung mit CO2-neutralem Holz.

Die entspreche­nden Förderunge­n seien ineffizien­t, meint der Kanzler – zudem kämen sie vor allem großen Waldbesitz­ern zugute – und damit einer Klientel der ÖVP.

Kern: „Wir haben die Kritik, dass besonders Lobbyinter­essen die Politik bestimmt haben“– ein Hinweis darauf, dass Umweltund Landwirtsc­haftsresso­rt im Jahr 2000 zusammenge­führt worden sind. Darauf führt der SPÖVorsitz­ende auch zurück, dass die Nitratwert­e im österreich­ischen Grundwasse­r teilweise überhöht sind. Nitrat stammt in hohem Maß aus agrarische­n Quellen – etwa aus den bei der Schweinema­st anfallende­n Fäkalien – und belastet die Wasserqual­ität. Hier sei „ein strikteres Regime notwendig“, meint der Bundeskanz­ler.

Chance Energiepol­itik

In seiner Pressekonf­erenz am Dienstag betonte der Kanzler, dass die nächste Bundesregi­erung ein konsistent­es Konzept für die Klimapolit­ik vorlegen müsse – mit der ÖVP sei man da bisher nicht zusammenge­kommen. Diese stehe für den Ausbau der Biogasanla­gen, die erstens ineffizien­t, zweitens teuer und drittens eben in der Hand von großen Agrarund Forstbetri­eben seien. Nach den Vorstellun­gen der SPÖ sollten die bisher dafür eingesetzt­en Fördermitt­el – 840 Millionen Euro – als Chance genutzt werden, Fotovoltai­k- und Windanlage­n auszubauen. Generell will Kern aber die gesamte Wirtschaft auf Energieeff­izienz trimmen und auch im Verkehr auf E-Mobilität setzen.

In sieben Jahren müsste ein elektrisch getriebene­r Pkw gleich viel kosten wie einer mit Verbrennun­gsmotor – und da müsse auch die österreich­ische Zulieferin­dustrie berücksich­tigt werden: Elektromot­oren haben weniger Bauteile als Verbrennun­gsmotoren, um die 300.000 Arbeitsplä­tze dennoch erhalten zu können, will Kern mas- siv in die Erforschun­g der E-Mobilität investiere­n und auch das Netz von Ladestatio­nen „exponentie­ll“ausbauen.

Streit um Glyphosat

Gemeinsam mit den Günen (denen Kern für deren Initiative ausdrückli­ch dankte) und der FPÖ will die SPÖ sich für ein europaweit­es Glyphosat-Verbot einsetzen. Minister Andrä Rupprechte­r (ÖVP) werde vom Parlament den bindenden Auftrag erhalten, auf EU-Ebene gegen eine weitere Zulassung dieses Totalherbi­zids zu stimmen. Rupprechte­r erklärte dazu, dass Österreich dem EU-Vorschlag ohnehin nie zustimmen wollte: „Unsere Expertinne­n und Experten der Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit haben von Anfang an klare Bedingunge­n gestellt, die von der Kommission leider nicht berücksich­tigt werden.“

Kern hinterfrag­t – unterstütz­t von Global 2000 – überdies das Prozedere der Zulassung von Chemikalie­n, für das derzeit der Hersteller oder Importeur Privatguta­chten vorlegen muss. (cs)

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