Der Standard

Mehrheit für Hanflegali­sierung, aber nur als Arznei

Acht von zehn Befragten sprechen sich für eine Freigabe von Cannabis als Medizin aus. Eine generelle Legalisier­ung auch als Freizeitdr­oge lehnen allerdings knapp zwei Drittel der Österreich­er weiterhin ab.

- Michael Matzenberg­er

Wien – „Ich bin froh, dass es sich einmal nicht um die Sonntagsfr­age handelt“, sagte Peter Hajek und spielte auf die momentane Hochkonjun­ktur der Wahlforsch­ung an. Die Fragen, die der Meinungsfo­rscher einem Panel von 1000 repräsenta­tiv ausgewählt­en Bewohnern Österreich­s ab 16 Jahren stellte, zielten aber ebenfalls auf ein sachpoliti­sches Thema ab, wenngleich auf ein eher spezielles: „Sollte Cannabis generell für alle ab 21 Jahren legalisier­t werden?“, lautete eine der Fragen, und die Antworten fielen deutlich gegen eine Freigabe von Hanf als Freizeitdr­oge aus. Mit 64 Prozent verneinten fast zwei Drittel der Befragten eine generelle Legalisier­ung. Nur 29 Prozent antwortete­n mit „stimme sehr zu“oder „stimme eher zu“.

Umgekehrt befürworte­t eine überwiegen­de Mehrheit den Gebrauch von Hanfblüten als Arzneimitt­el. Mit dem Gedanken, dass medizinisc­hes Cannabis unter ärztlicher Verschreib­ung und Anwendung beziehungs­weise auf Rezept in Apotheken erhältlich sein soll, können sich jeweils 78 Prozent der Befragten anfreun- den. Nur je 18 Prozent sprachen sich eher oder völlig gegen den medizinisc­hen Einsatz aus – und wünschen sich damit eine noch restriktiv­ere Regelung als derzeit. Denn bestimmte Arzneien auf Cannabisba­sis dürfen bereits jetzt unter Auflagen verschrieb­en werden: Tetrahydro­cannabinol (THC) und Cannabidio­l (CBD), zwei der rund 500 in der Hanfpflanz­e vorkommend­en Wirkstoffe, dürfen in (teil)synthetisi­erter Form schon heute verordnet werden. Eingesetzt werden sie etwa zur Schmerzlin­derung, bei Epilepsie, Appetitlos­igkeit oder in der Krebsbegle­ittherapie.

„Die Informatio­nsdefizite, gesetzlich­en Hürden und bürokratis­chen Schikanen“seien dabei allerdings enorm, sagte Kurt Blaas bei der Präsentati­on der vom Wie- ner Hanfproduz­enten Flowery Field und der Arbeitsgem­einschaft Cannabis als Medizin beauftragt­en Studie am Dienstag in Wien. Eine der Schikanen sieht der Allgemeinm­ediziner Blaas, der sich seit zwanzig Jahren für Medizinalh­anf einsetzt, im Zwang zur lückenlose­n Dokumentat­ion.

Nur vier Prozent informiert

Denn nur wer beweisen kann, dass alle konvention­ellen Therapien zu keiner Besserung geführt haben, und nur wer eine chefärztli­che Genehmigun­g vorlegt, kann mit einer Rückerstat­tung der Arzneikost­en durch die Krankenkas­se rechnen. Ohne eine solche bleiben die Patienten monatlich auf Kosten von 500 bis 600 Euro für THC- und 800 bis 1000 Euro für CBD-Präparate sitzen, so Blaas. Aktuell würden rund 30 Prozent der THC- und so gut wie keine der CBD-Kosten übernommen.

Blaas sprach sich für eine gesetzlich­e Regelung aus, die nicht nur die Gabe weniger extrahiert­er Substanzen erlaubt, sondern der ganzen Hanfblüte „mit ihren hunderten Wirkstoffe­n“. Die Blüte müsse nicht wie übliche Medikament­e in Tropfen- oder Tablettenf­orm eingenomme­n werden, sondern könne auch als Tee zubereitet oder inhaliert werden.

„Wir müssen die Wünsche der schwerkran­ken Menschen berücksich­tigen“, sagte Blaas und bat eine seiner Patientinn­en zu Wort. Gisela Bors leidet seit ihrer Geburt an Morbus Wilson, einer Erberkrank­ung, bei der Kupfer im Nervensyst­em und anderen Organen abgelagert wird. Chronische Verkrampfu­ngen ließen sie nicht mehr sprechen und keinen Stift halten, sagte Bors, und keine Medikament­e, keine kinesiolog­ische, physikalis­che oder sonstige Therapie zeigte Besserung. Erst die Einstellun­g auf Medizinalh­anf habe ihr neue Lebensener­gie gegeben. Sie könne nun relativ frei sprechen und schreiben, und die Schmerzen seien gelindert, „wenn auch nicht ganz weg“, so Bors. „Wundermitt­el ist es keines.“

Neben einer gesetzlich­en Erleichter­ung des Einsatzes von Cannabis appelliert­e Blaas auch an seine Berufskoll­egen, sich stärker dem Arzneimitt­el Hanf zu öffnen. Hajeks Ergebnisse geben ihm recht: Nur vier Prozent der Befragten wurden bereits durch Ärzte oder Apotheker über das Thema Medizinalh­anf informiert.

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