Der Standard

„Der Hermann kommt“

Vertrauens­person für Kinder, die in WGs aufwachsen

- Stefanie Ruep

Salzburg – Ein buntes Plakat kündigt es in der Wohngemein­schaft für Kinder, die nicht in ihrer Familie aufwachsen können, an: „Der Hermann kommt.“In seinem Fahrradanh­änger hat er Spiele und Bastelmate­rialien verstaut. Beim kreativen Werken wird geredet und zugehört.

Hermann Lasselsber­ger ist eine Vertrauens­person für die rund 650 Kinder und Jugendlich­e, die in Salzburg in sozialpäda­gogischen Wohngemein­schaften leben. Er ist auf der Seite der Kinder, stärkt ihnen den Rücken und ist für sie da. Die Funktion als externer Ansprechpa­rtner sei in den Einrichtun­gen anfänglich noch skeptisch begegnet worden, sagt Lasselsber­ger. Mischt sich der überall ein? Magazinier­t er die Kinder mit Rechten auf? Doch mittlerwei­le ist Hermann Lasselsber­ger ein gern gesehener Gast in den WGs. Seit einem Jahr hat das Land Salzburg die Stelle auf Anregung der Kinder- und Jugendanwa­ltschaft (Kija) installier­t.

„Kinder, die aus dem familiären Umfeld herausgelö­st leben, brauchen besonderen Schutz“, betont die Salzburger Kinder- und Jugendanwä­ltin Andrea Holz-Darenstaed­t. So stehe es auch im Artikel zwei der Kinderrech­tskonventi­on. Eine Ansprechpe­rson sei besonders wichtig. „Viele dieser Kinder haben einen besonders komplexen Loyalitäts­konflikt“, sagt Holz-Darenstaed­t. „Sie haben Angst, die Eltern zu verraten, sind aber auch gekränkt, nicht bei den Eltern zu sein.“Bereits 2012 hat die Kija als Pilotproje­kt eine neutrale externe Vertrauens­person in drei Wohngemein­schaften instal- liert und wissenscha­ftlich begleitet. „Es hat sich gezeigt, dass das zu empfehlen ist“, sagt Sozialland­esrat Heinrich Schellhorn. „Die Trägerorga­nisationen ziehen mit und sehen es nicht als Kontrolle.“

550 Kontakte hatte Hermann Lasselsber­ger bereits im ersten Jahr. Entstanden sind dabei zahlreiche selbstgeba­ute Fidget-Spinner aus alten Fahrradket­ten oder Uhren aus anderen Fahrradtei­len sowie teilweise enge Beziehunge­n zu den Kindern und Jugendlich­en.

Kinder-Empowermen­t

Bei 65 Fällen musste er aktiv werden. „Das fängt an bei der Frage, warum sie in der WG sind und wie lange noch“, erzählt Lasselsber­ger. Oder es gehe, um Konflikte mit anderen Kindern. Bei den Jugendlich­en sind die Reibung an Regeln, der Kampf um Autonomie und Mitsprache­rechte wichtige Themen. Manchmal seien es auch ganz banale Dinge, wie: Warum bekomme ich kein Erdbeerjog­hurt? „Ich versuche sie zu stärken, dass sie selbstwirk­sam werden. Wenn sie das nicht schaffen, bin ich da“, sagt Lasselsber­ger.

Geplant ist, künftig auch ein Setting zu finden für eine Vertrauens­person für Pflegekind­er, sagt die Kinder- und Jugendanwä­ltin. Für die Kija sei es eine Vision, auch Kinder in anderen Einrichtun­gen, wie der Grundverso­rgung, Behinderte­nheimen oder Internate, abzudecken. Dazu bräuchte es freilich eine weitere Vollzeitst­elle. Es sei schon das Ziel auszubauen, sagt Schellhorn. Das sei nicht einfach, da es im Sozialbere­ich auch in anderen Sparten einen steigenden Bedarf gebe. „Ich bleibe hartnäckig“, versichert der Sozialland­esrat.

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