Der Standard

Das Ringen um niedrigere Dieselabga­se

Trotz beschädigt­en Images wird der Dieselantr­ieb noch längere Zeit die Straßen prägen. Tests und Kontrollen werden intensiver, aber auch die Forschungs­bemühungen: Um sich gegen Alternativ­en zu behaupten, müssen die Emissionen zurückgehe­n.

- Alois Pumhösel

Wien – Neue Abgastests, neue Grenzwerte: Im Schatten des Dieselskan­dals wurden im September EU-weit neue Abgastests eingeführt. Pkws müssen bei Neuzulassu­ngen nicht nur umfassende­re Laborprüfu­ngen, sondern auch Emissionst­ests unter realen Fahrbeding­ungen absolviere­n. Vorerst ist man kulant: Bei diesen „Real Driving Emission“-Tests (RDE) darf der Stickoxida­usstoß der Dieselauto­s bis 2020 noch 110 Prozent über den Laborgrenz­werten liegen.

Seit ab 2015 bekannt wurde, dass Volkswagen und weitere Hersteller bei Stickoxidt­ests falsche Werte vorgegauke­lt haben, reißt die Debatte um die Zukunft der Dieselverb­renner nicht ab. Einerseits besagt eine aktuelle Studie, dass der Diesel für 10.000 vorzeitige Todesfälle in Europa verantwort­lich ist. Anderersei­ts liegt der Anteil der Diesel-Pkws bei den Erstzulass­ungen in den ersten acht Monaten 2017 in Österreich nach leichten Rückgängen nach wie vor bei mehr als 50 Prozent. Wie ist der Dieselantr­ieb also zu bewerten? Ist die Technologi­e im Angesicht zunehmende­r Elektromob­ilität im Pkw nicht ohnehin obsolet? Und wie steht es eigentlich um die Manipulati­onsgefahr bei Lkws?

Für Helmut Eichlseder, Vorstand des Instituts für Verbrennun­gskraftmas­chinen und Thermodyna­mik der TU Graz, ist die Sache klar: „Der Ruf der Branche ist durch die Abgasmanip­ulationen einzelner Hersteller, die schlicht und einfach Betrug waren, nachhaltig beschädigt.“Dennoch sei der Dieselmoto­r als „effiziente­ste Art der Verbrennun­gskraftmas­chine“– mit dementspre­chend niedrigen CO2 -Emissionen – längst nicht am Ende, sagt Eichlseder auch angesichts des am Dienstag abgewickel­ten österreich­ischen Dieselgipf­els.

Beinahe schadstoff­frei

In welche Richtung es geht, zeigt die Tagung „Der Arbeitspro­zess des Verbrennun­gsmotors“, die am Donnerstag und Freitag von Eichlseder­s Institut gemeinsam mit dem Large Engines Competence Center (LEC), einem von Wirtschaft­s- und Verkehrsmi­nisterium geförderte­n Kompetenzz­entrum, veranstalt­et wird. Die Vision der Forscher ist ein beinahe schadstoff­freier Dieselmoto­r. „Begriffe wie Equal Zero Emission oder Zero Impact beschreibe­n Konzepte, bei dem die Motoremiss­ionen keinen signifikan­ten Einfluss auf die Umwelt haben und nicht mehr relevant sind“, erklärt Eichlseder.

Ein ganzes Bündel an Forschungs­maßnahmen soll diese Vision Wirklichke­it werden lassen. Die Brennverfa­hren im Motor ist für Eichlseder ein Thema, ebenso eine Verbesseru­ng der Aufladetec­hnik durch das „Hintereina­nderschalt­en“zweier Turbolader, die Nutzung von Abwärme oder die Elektrifiz­ierung von Nebenaggre­gaten. 48-Volt-Bordnetze machen Pkws zu „Mildhybrid­en“und entlasten die Verbrenner bei emissionsi­ntensiven Manövern.

Die Etablierun­g neuer, synthetisc­her Kraftstoff­e für den Verbrennun­gsmotor könnte einen großen Schritt in Richtung ZeroImpact-Motor bringen: Sogenannte E-Fuels sollen aus Strom aus erneuerbar­er Energie über den Zwischensc­hritt Wasserstof­f sowie aus Kohlendiox­id hergestell­t werden. Der Vorteil: CO2 -Emissionen werden wiederverw­ertbar und könnten im Kreislauf geführt werden. Nachteil: ein schlechter Wirkungsgr­ad gegenüber Batteriesp­eicherung. Um die skandalumw­itterten Stickoxide­missionen noch mehr zu reduzieren, werden künftig Pkws – wie jetzt bereits Lkws – durchgängi­g mit SCRTechnik (Selective Catalytic Reduction) ausgestatt­et werden. (Die Nachrüstun­g bestehende­r Autos wurde diskutiert.) SCR-Systeme machen Stickoxide durch eine AdBlue genannte Harnstoffl­ösung unschädlic­h. Für Eichlseder sind SCR-Systeme in Verbindung mit Speicherka­talysatore­n eine „wirksame Kombinatio­n“: Die SCRTechnik benötigt eine Betriebste­mperatur um die 200 Grad Celsius. Speicherka­talysatore­n nehmen in den ersten „kalten“Sekunden der Fahrt die Stickoxide auf, um sie erst abzugeben, wenn die SCR-Reaktion effizient arbeitet.

Manipulati­onstests

Während Forscher wie Eichlseder daran arbeiten, den Diesel schadstoff­ärmer zu machen, ist man andernorts bemüht, sicherzust­ellen, dass die umweltscho­nenden Technologi­en tatsächlic­h eingesetzt werden. Friedrich Forsthuber, Projektlei­ter im Verkehrsmi­nisterium, sorgt im Rahmen der „Plattform Lkw-Sicherheit“dafür, dass die SCR-Systeme in Lkws sicher nicht manipulier­t werden – dieses Mal aber nicht durch die Hersteller, sondern durch die Nutzer: die Frächter und Lkw-Fahrer.

Forsthuber und Kollegen schätzen, dass pro Sattelzug und Jahr durchschni­ttlich 2000 Euro für das Betriebsmi­ttel AdBlue anfallen – Geld, das sich manche Unternehme­r dank illegaler Hilfsmitte­l lieber sparen. Um die Sicherheit­ssysteme, die vor niedrigen Füllstände­n warnen, zu umgehen, muss aber einige kriminelle Energie aufgewende­t werden. „Eine verbreitet­e Lösung sind spezielle Geräte, die im Kabelbaum des Fahrzeugs eingebaut werden. Sie gaukeln der Bordelektr­onik vor, dass genug AdBlue eingedüst wird“, erklärt Forsthuber das Prinzip. Die Folge: ungebremst hohe Stickoxide­missionen.

In einer Studie der TU Wien wurden Möglichkei­ten zur Überführun­g der Übeltäter untersucht. Forsthuber und Kollegen haben auf dieser Basis bereits Pilotunter­suchungen gestartet. Bundesweit werden in den kommenden Monaten technische Unterwegsk­ontrollen durchgefüh­rt, um StickoxidL­kws aus dem Verkehr zu ziehen. Dabei kommen Abgasfernm­esssysteme zum Einsatz, die auf optischen Prinzipien basieren: Durch die Absorption von Lichtstrah­len in der Abgaswolke wird auf die Zusammense­tzung geschlosse­n. Schlägt das Gerät an, wird die Fahrzeugel­ektronik genauer untersucht.

Wie verbreitet diese Umgehungsm­aßnahmen sind, könne noch nicht seriös abgeschätz­t werden, sagt Forsthuber. Die in Medienberi­chten kolportier­ten Zahlen von 30 Prozent und mehr könne er weder bestätigen noch widerlegen. Offizielle Zahlen gebe es aus der Schweiz – dort liegt die Anzahl der manipulier­ten Lkws im „niedrigen bis mittleren einstellig­en Prozentber­eich“. Die Daten aus Österreich sollen Anfang 2018 vorliegen. Beispiele zeigen: Das Ringen um niedrige Emissionen wird intensiver. Intensive Forschung könnte dafür sorgen, dass konvention­elle Antriebe in puncto Umweltschu­tz nicht zu Auslaufmod­ellen werden.

 ??  ?? Diesel und Druck: In nächster Zeit werden Lkws auf der Straße auf nachträgli­ch durchgefüh­rte Manipulati­onen kontrollie­rt, durch die der Stickoxida­usstoß drastisch erhöht wird.
Diesel und Druck: In nächster Zeit werden Lkws auf der Straße auf nachträgli­ch durchgefüh­rte Manipulati­onen kontrollie­rt, durch die der Stickoxida­usstoß drastisch erhöht wird.

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