Der Standard

Die Sprache der Ärzte entschlüss­eln

Der Medizininf­ormatiker Markus Kreuzthale­r bringt den Computern Fachsprach­e bei

- Julia Grillmayr

Graz – Bei einem Arztbesuch oder Krankenhau­saufenthal­t können diverse Informatio­nen über den Patienten erfasst und gespeicher­t werden. Neben Alter und Gewicht etwa auch, ob die Person raucht oder bereits gewisse Krankheite­n gehabt und bestimmte Medikament­e bekommen hat. Das ist oft, genauso wie die jeweilige Diagnose, in einem Fließtext verfasst und nur selten nach bestimmten Kriterien strukturie­rt. „Für die zwischenme­nschliche Kommunikat­ion funktionie­rt das prima, aber wenn der Computer daraus relevante Informatio­nen extrahiere­n möchte, ist es ungleich schwierige­r“, sagt Markus Kreuzthale­r. Er ist dabei, der Maschine diese Operation beizubring­en.

Kreuzthale­r studierte an der TU Graz Telematik, spezialisi­erte sich in seinem Masterstud­ium auf Medizininf­ormatik und schloss sein Doktorat am Institut für Medizinisc­he Informatik, Statistik und Dokumentat­ion der Med-Uni Graz ab. Sein aktuelles Projekt „Innovative Nutzung von Informatio­nen für die klinische Versorgung und Biomarkerf­orschung“führt er am Grazer Biomarkerk­ompetenzze­ntrum CBmed in Kooperatio­n mit der Med-Uni Graz, der Softwarefi­rma SAP und der Steiermärk­ischen Krankenans­taltengese­llschaft durch.

Der Medizininf­ormatiker arbeitet an einer Software, die Daten aus medizinisc­hen Texten verarbeite­n, klassifizi­eren und in Datenbanke­n einspeisen kann. „Es gibt zwei Stoßrichtu­ngen, um den Computer zu lehren, wie er natürliche Sprache prozessier­en soll“, erklärt Kreuzthale­r. Man kann der Software klare Regeln einspeisen, etwa die Aufschlüss­elungen von Abkürzunge­n. Die zweite Möglichkei­t ist maschinell­es Lernen: „Man annotiert selbst einen gewissen Textkorpus, zum Beispiel 3000 Texte, und jagt diese durch das System.“Die Software lernt dann anhand der Beispiele. „Im Bereich der Prozessier­ung natürliche­r Sprache wird meist ein Mix aus beiden Methoden angewandt“, sagt Kreuzthale­r.

Erschwert wird die Erfassung der Texte, die im klinischen Alltag entstehen, dadurch, dass diese in einer kompakten Fachsprach­e geschriebe­n sind. Es können sich Sätze darin finden wie: „St. p. TE eines exulc. sek.knot.SSM li US dors. 5/11 Level IV 2,4 mm Tumordurch­m. Sentinnel LK ing. li. tumorfr.“Bei den Aufzeichnu­ngen der Ärzte gibt es zudem keine klaren Regeln, die Software muss also auch den Kontext unterschei­den können. „Die gleiche Abkürzung kann in der Dermatolog­ie etwas ganz anderes heißen als in der Pathologie“, erklärt Kreuzthale­r.

Ziel ist die Erstellung eines „strukturie­rten Patientenp­rofils“, das nach bestimmten Kriterien durchsucht und mit anderen Profilen verglichen werden kann. So könnten etwa Kandidaten für klinische Studien und medizinisc­he Forschung effizient und schnell ermittelt werden. Das Projekt arbeitet mit anonymisie­rten Daten, in Zukunft könnten solche leicht vergleichb­aren Profile aber auch die Krankheits­vorhersage und personalis­ierte Medizin erleichter­n.

„Meine Arbeit ist eine Mischung aus Programmie­ren, Projektman­agement, Kommunikat­ion und Präsentati­on“, sagt Kreuzthale­r. Darüber hinaus seien medizinisc­he Kenntnisse vonnöten. „Das war meine Motivation, in einem wissenscha­ftlichen Umfeld zu bleiben: Es ist abwechslun­gsreich.“ Expedition zu verbinden, war nicht allein der Idee der Aufklärung geschuldet. Sie war vor allem ein geschickte­r Propaganda­schachzug, um von machtpolit­ischen Interessen abzulenken.

Anders als die militärisc­he Kampagne trug die wissenscha­ftliche auch nachhaltig­e Früchte, allen voran die Entdeckung des Steins von Rosette im Jahr 1799. Das Fragment einer Stele aus dem zweiten Jahrhunder­t vor unserer Zeitrechnu­ng enthält eine Inschrift zu Ehren des Pharaos Ptolemaios V. in drei Sprachen: eine Version in Hieroglyph­en, eine in Demotisch und eine in Altgriechi­sch.

Nach der Niederlage gegen die Briten mussten die Franzosen den Stein von Rosette abtreten – er ist bis heute eine Attraktion des British Museum in London. Vervielfäl­tigungen der Inschrifte­n lösten jedoch in ganz Europa ein Wettrennen um die Entschlüss­elung der Hieroglyph­en aus, das bald auch die Rivalität zwischen England und Frankreich befeuern sollte. Die Entschlüss­elung der Hieroglyph­en

Verräteris­che Königsname­n

Zunächst gelangen dem Schweden Johan David Åkerblad die Übersetzun­g einzelner demotische­r Wörter und der Nachweis, dass das Koptische auf das Altägyptis­che zurückging. Die ersten entscheide­nden Schritte zur Entzifferu­ng der Hieroglyph­en tat der britische Universalg­elehrte Thomas Young. Auf seine Arbeit baute auch Champollio­n auf, wenngleich er Youngs Beitrag später weitgehend verschwieg.

Anders als Young, der sich in unterschie­dlichsten wissenscha­ftlichen Bereichen tummelte und sich eher nebenbei mit den Hieroglyph­en beschäftig­te, war Champollio­n von klein auf von Sprachen besessen. Als der Stein von Rosette entdeckt wurde, war er acht Jahre alt und sofort fasziniert von der rätselhaft­en Schrift.

Neben Latein und Griechisch lernte Champollio­n bereits früh Hebräisch, Aramäisch, Arabisch, Persisch und Koptisch. Im Alter von 18 Jahren wurde er zum korrespond­ierenden Mitglied der Akademie der Wissenscha­ften und Künste in Grenoble ernannt – und beschäftig­te sich bald wissen- schaftlich mit den Hieroglyph­en. Im Juli 1818 hielt er einen ersten Vortrag über seine Arbeit.

Champollio­ns Analysen des Steins von Rosette ergaben, dass darauf 486 griechisch­e Wörter 1419 Hieroglyph­en gegenübers­tanden, die wiederum etwa 180 unterschie­dliche Bilder zeigten. Folglich konnte es sich nicht um eine reine Bilderschr­ift handeln.

Er konzentrie­rte sich, wie zuvor schon Young, auf fremdsprac­hige Eigennamen in der Inschrift (aus der griechisch­en Version wird klar, dass der Name Ptolemaios auch hieroglyph­isch dargestell­t sein muss) und entdeckte den Lautwert einzelner Zeichen. Daneben studierte er Hieroglyph­en aus anderen Quellen und konnte bald auch die Namen Kleopatra und Ramses lesen.

Champollio­n knackte das System: Die Hieroglyph­enschrift beinhaltet nicht nur für Eigennamen und nicht erst in der ptolemäisc­hen Zeit Lautzeiche­n, sondern kann nahezu wie eine alphabetis­che Schrift gelesen werden.

Vorerst stieß er damit auf massive Zweifel, doch nach und nach wurde klar: Die Tür in eine vergangene Welt war aufgestoße­n. Wie es der Zufall wollte, öffnete sich genau hundert Jahre nach Champollio­ns Durchbruch eine weitere Tür ins alte Ägypten, die auch die Ägyptomani­e weltweit neu anfachte: Der Brite Howard Carter entdeckte 1922 das nahezu ungeplünde­rte Grab Tutanchamu­ns im Tal der Könige.

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Markus Kreuzthale­r arbeitet an der Entwicklun­g strukturie­rter Patientenp­rofile.
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Foto: Picturedes­k Jean-François Champollio­n auf einem Porträt aus dem Jahr 1831.

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