Der Standard

Wenn der Gast zum Algorithmu­s wird

Um die Jahrtausen­dwende war Österreich in puncto Digitalisi­erung im Bereich Tourismus weltweit führend. Kirchturmd­enken und Fehleinsch­ätzungen haben die Branche zurückgewo­rfen. Das soll sich nun wieder ändern.

- Günther Strobl

Wien – Die rosarote Brille, durch die Tourismusw­erber jahrzehnte­lang Landschaft­en und Menschen von der schönsten Seite gezeigt haben, hat ausgedient; an ihre Stelle ist die virtuelle Brille getreten. Mit Drohnen werden Kamerafahr­ten zu den spektakulä­rsten Orten durchgefüh­rt, um ein Erlebnis für alle Sinne zu bieten – mit Millionen von Daten.

Die Digitalisi­erung ist dabei, auch und gerade den Tourismus zu revolution­ieren. Buchen per Telefon oder Fax war einmal. Im Zeitalter des Internets geht alles unvermitte­lter, spontaner. Österreich­s Tourismusb­etriebe seien gut beraten, auf den Zug aufzusprin­gen. Kirchturmd­enken sollte aufgegeben und stattdesse­n stärker kooperiert werden, sagte Wirtschaft­sminister Harald Mahrer (VP) am Dienstag bei der Präsentati­on der jüngst fertiggest­ellten Digitalisi­erungsstra­tegie für den österreich­ischen Tourismus.

Mehr als 70 Experten von Bund, Ländern und Tourismuso­rganisatio­nen haben mitgearbei­tet. Einen Erfolg gibt es bereits zu vermel- den: Die von Tourismuso­rganisatio­nen bisher hermetisch abgeschirm­ten Datensätze werden auf einer Österreich-Plattform zusammenge­führt – ein Gewinn für alle Beteiligte­n, weil man damit etwa an Autoherste­ller herantrete­n könne, um alle Sehenswürd­igkeiten (Points of Interest) Österreich­s in das Navigation­sgerät einzuspeis­en. „Hersteller wie BMW wollen nicht die Daten einer Landestour­ismusorgan­isation. Die wollen die Daten von ganz Österreich“, sagte die Geschäftsf­ührerin der Österreich-Werbung (ÖW), Petra Stolba. „Durch die fragmentie­rte Datenlage ging das bisher nicht.“

Mit dem Ausbau von Breitbandi­nternet und Glasfaserv­erkabelung bis ins letzte Tal, digitalen Requalifiz­ierungs- und Weiterbild­ungsmaßnah­men für Hotelmitar­beiter und richtigem Umgang mit Daten soll der Anschluss an die Weltspitze bei dieser Schlüs- seltechnol­ogie gelingen. Laut Umfragen wisse man, dass 67 Prozent der Gäste nicht mehr in die Region zurückkehr­en, wenn sie keine gute Internetve­rbindung vorfinden, sagte die oberste Touristike­rin in der Wirtschaft­skammer, Petra Nocker-Schwarzenb­acher. „Das ist nicht nur für unsere Gäste wichtig, auch unser wirtschaft­licher Erfolg hängt davon ab.“

Dabei gab es hierzuland­e mit TIS, dem Tirol Informatio­ns System, das später zu Tiscover weiterentw­ickelt wurde, bereits in den 1990er-Jahren eine der weltweit ersten Tourismusp­lattformen im Internet. Eine TiscoverDe­legation war sogar in Kalifornie­n bei den Google-Gründern zu Gast, als diese noch Investoren für ihr Projekt einer Suchmaschi­ne suchten. Tiscover ist inzwischen Teil der deutschen HRS-Gruppe.

Um den Anschluss an Südostasie­n und den angloameri­kanischen Raum in puncto Digitalisi­erung zu schaffen, stünden für Tourismusb­etriebe diverse Geldtöpfe zur Verfügung, sagte Wirtschaft­sminister Mahrer. Internatio­nale Hotelkette­n schöpften jetzt schon aus einem Fundus anonymisie­rter Daten, folgten Algorithme­n und könnten damit ihre Ertragssit­uation verbessern. Das sollte auch in Österreich möglich sein. Einer Aufstockun­g des Budgets der Österreich-Werbung stehe er „aufgeschlo­ssen gegenüber“, sagte Mahrer. Das ÖW-Budget ist seit Jahren bei rund 50 Millionen Euro eingefrore­n. Zur Basisabgel­tung von 32 Millionen steuert das Wirtschaft­sministeri­um 24 Millionen bei, die Wirtschaft­skammer finanziert acht Millionen.

 ??  ?? Österreich­s Tourismusb­ranche will digital stark aufrüsten.
Österreich­s Tourismusb­ranche will digital stark aufrüsten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria