Ein Mann, auf den Muhammad Ali stolz gewesen wäre
Colin Kaepernicks anfangs einsamer Protest gegen rassistische Polizeigewalt hat sich dank Donald Trumps Taktlosigkeit zu einer Bewegung ausgewachsen. Der Quarterback ist damit in große Fußstapfen getreten.
Wien / San Francisco – „Why should they ask me to put on a uniform and go ten thousand miles from home and drop bombs and bullets on brown people in Vietnam while socalled Negro people in Louisville are treated like dogs and denied simple human rights?“
Viele Zitate von Muhammad Ali wurden berühmt, es gäbe auch „Float like a butterfly, sting like a bee“. Obiges aber sticht heraus, es transzendiert den Sport und zeigt das Wesen des größten Boxers aller Zeiten. Ali verweigerte die Teilnahme an einem Krieg, der seiner Religion widersprach und nach seiner Ansicht nur die „Dominanz der weißen Sklaventreiber“erhalten würde – auch wenn ihn das seinen Boxtitel kostete.
Auch Michael Jordan ist einer der größten Sportler aller Zeiten, eine Ikone, eine Legende, man kann im blendenden Licht seiner Siege gar nicht laut genug schreiben. Nur eines war der Basketballer nie: ein Idealist.
1990 weigerte er sich, den Demokraten Harvey Gantt in der Senatswahl in seinem Heimatstaat North Carolina gegen den „letzten offenen Rassisten“der US-Politik, Jesse Helms, zu unterstützen. Das Zitat „Auch Republikaner kaufen Schuhe“will „MJ“nicht gesagt haben, es hält sich dennoch hartnäckig. Wohl auch, da er politische Themen Zeit seiner Spielerkarriere großräumig umschiffte und lieber Schuhe verkaufte.
Zwei Wege
Ali und Jordan stehen stellvertretend für ihre Ären. Waren schwarze Sportler in den 60erJahren Katalysatoren der Bürgerrechtsbewegung, hielten Athleten in den 90er- und Nullerjahren die Füße still. Freilich gab es das auch früher, Ali verunglimpfte George Foreman liebend gerne als „Uncle Tom“, als einen Schwarzen, der sich Weißen unterordnete.
Ali war nicht allein: Bei der Siegerehrung des 200-Meter-Sprints der Olympischen Spiele 1968 streckten Tommie Smith und John Carlos den rechten Arm nach oben, die Faust geballt: Black Power, der Gruß des radikaleren Flügels der Bürgerrechtsbewegung – Smith schrieb später, es sei ein „Menschenrechts-Gruß“gewesen. Die zwei Amerikaner wurden in Mexico-Stadt ausgebuht und vom IOC von den Olympischen Spielen ausgeschlossen.
Mit dem Civil Rights Act und dem schrittweisen Abbau von institutionellem Rassismus gingen auch die Sportlerproteste zurück. Athleten schienen als Lichtgestalten nicht mehr nötig, außerdem kam mehr und mehr Geld in den Sport: Wer mehr kassiert, hat mehr zu verlieren.
Vereinzelt gab es Dissens. Da war Craig Hodges, der von George Bush Sr. eine bessere Behandlung von Minderheiten forderte, da war Mahmoud Abdul-Rauf, der die amerikanische Flagge als ein Symbol der Unterdrückung betrachtete. Und dann war nicht mehr viel. Die Jordan-Generation: in ihrem Gehabe durchaus konfliktfähig, aber völlig unpolitisch.
Eine neue Ära
Am 23. März 2012 postete LeBron James ein Foto des kompletten Teams der Miami Heat in Kapuzenpullis auf Twitter. Die Hashtags: #WeAreTrayvonMartin #Hoodies #Stereotyped #WeWantJustice. Das Echo des Schusses, der den 17-jährigen Trayvon Martin tödlich in der Brust traf, hatte die neue Ära des Athletenaktivismus eingeläutet.
2014 gipfelten weitere umstrittene Tötungen von Schwarzen durch weiße Polizisten in Unruhen. Und die Athleten fanden endgültig ihre Stimme.
Die College-Basketballerin Ariyana Smith legte sich nach dem Tod von Michael Brown aus Protest viereinhalb Minuten auf den Court, Spieler der St. Louis Rams zeigten die „Hands up, don’t shoot“-Geste, ein Boykott von College-Footballern zwang einen Uni-Präsidenten zum Rücktritt, WNBA-Spielerinnen demonstrierten gegen Diskriminierung, die Schwimmerin Simone Manuel stärkte bei Olympia die BlackLives-Matter-Bewegung, ein Crescendo der Meinungsstärke. Der neue Alltag.
Und dann kam Colin Kaepernick. Vor einem Preseason-Spiel 2016 blieb der Quarterback erstmals während der Hymne sitzen, um gegen strukturellen Rassismus zu protestieren, später kniete er. Der 29-Jährige wurde sanft unterstützt und hart kritisiert, wurde verteufelt und in den Himmel gehoben.
Und er bekam keinen neuen Vertrag. „Blackballing“heißt das, die Benachteiligung aus politischen Gründen. 32 General Manager und 32 Teambesitzer der National Football League – darunter viele, die vergangenen Sonntag einträchtig mit ihren Spielern die Arme verschränkten – fanden für „Kaep“keinen Platz.
Und doch kann sich der geschasste Ex-49er freuen. Als Trump protestierende Spieler als „Hurensöhne“bezeichnete, wuchs sich Kaepernicks Protest zu einer Bewegung aus. LeBron James sagte: „Die Menschen regieren dieses Land. Nicht ein Einzelner. Und ganz bestimmt nicht er.“Sogar Michael Jordan ließ sich zu einem Statement hinreißen. „Wer sein Recht auf friedliche Meinungsäußerung ausübt, sollte nicht dämonisiert oder geächtet werden“, sagte „His Airness“.
Ali hätte geschmunzelt.