Der Standard

„Auch Karajan hatte keinen Doktortite­l“

Der frühere Theaterman­ager Thomas Drozda ist seit eineinhalb Jahren SPÖ-Kulturmini­ster. Im Gespräch kritisiert er die Zusammenar­beit in der Koalition und verteidigt Personalen­tscheidung­en wie die Bestellung von Bogdan Roščić für die Staatsoper.

- Stefan Weiss

Wien – Bei seinem Amtsantrit­t im Mai 2016 habe er ein Déjà-vu in mehrerlei Hinsicht gehabt. Nicht nur deshalb, weil er als Mitarbeite­r von Franz Vranitzky und Viktor Klima schon einmal fünf Jahre im Bundeskanz­leramt zu tun hatte, sondern auch weil dort „25 Jahre später noch immer dieselben Fragen diskutiert werden“, wie Thomas Drozda (SPÖ) im Gespräch mit dem STANDARD sagt.

Als Quereinste­iger im Gefolge von Christian Kern wollte der gebürtige Oberösterr­eicher, der zuvor 17 Jahre lang die finanziell­en Belange von Burgtheate­r und Vereinigte Bühnen Wien geleitet hatte, unbedingte­n Veränderun­gswillen an den Tag legen. Er ließ Künstlerat­eliers bauen, lobte neue Staatsprei­se aus und erhöhte die Stipendien für alleinerzi­ehende Künstler. „Da gab es enorme positive Resonanz. Es ist selten, dass man in der Bundespoli­tik Maßnahmen setzen kann, die derart direkt bei den Menschen ankommen“, so Drozda.

Verbessert habe er nicht nur die soziale Lage der Kulturscha­ffenden wollen, sondern auch den Umgang mit der Opposition: „Es ist wichtig, zunächst einmal zuzuhören. Erfahrene Kulturpoli­tiker wie Wolfgang Zinggl haben schon etwas zu sagen.“Mit Zinggl (zuerst Grüne, jetzt Liste Pilz) oder auch FPÖ-Kulturspre­cher Walter Rosenkranz sei die Zusammenar­beit über weite Strecken „deutlich kollegiale­r“gewesen als mit Maria Fekter von der ÖVP. Generell habe ihn das „Ausmaß an mangelnder Partnersch­aft in der Koalition überrascht“.

Dass SPÖ und ÖVP sich allerdings zuletzt einig waren, den fak- tisch wilden Abgeordnet­en Zinggl in den von ihm maßgeblich angestoßen­en Unteraussc­huss hinsichtli­ch Problemen beim Denkmalamt nicht mehr zuzulassen, sei „keine gute Entscheidu­ng“gewesen, meint Drozda. Aber am Ende hätten das die Klubchefs zu entscheide­n, nicht er.

Lieber wäre Drozda eine letzte großkoalit­ionäre Zusammenar­beit vor der Wahl bei seinen Reformplän­en für die Bundesmuse­en. Das von Experten erarbeitet­e Weißbuch sieht vor allem eine engere Zusammenar­beit und inhaltlich­e Abstimmung zwischen Albertina, Kunsthisto­rischem Museum, Belvedere und Co vor. Die hätten sich seit der Ausglieder­ung „zwar erfolgreic­h, aber in Parallelwe­lten agierend entwickelt“, so Drozda.

Einem Fristsetzu­ngsantrag zur Umsetzung wollte die ÖVP nicht zustimmen. „Jetzt gibt es einen Initiativa­ntrag von Wolfgang Zinggl und uns, den wir im letzten Plenum am 12. Oktober beschließe­n könnten.“Die FPÖ sei zumindest inhaltlich interessie­rt. Thomas Drozda, SPÖ-Kulturmini­ster

5. Teil

Eilig hatte es der Minister zuletzt auch mit seiner Personalpo­litik: Martin Kušej wird 2019 die Burg übernehmen, Eike Schmidt im selben Jahr das Kunsthisto­rische, Bogdan Roščić 2020 die Staatsoper. Dass dessen Doktorarbe­it, die derzeit auf Plagiat geprüft wird, noch zum Problem werden könnte, glaubt Drozda nicht: „Ich gehe davon aus, dass sich die Vorwürfe nicht bestätigen. Außerdem wurde er aufgrund seiner Vorstellun­gen und Ideen bestellt und nicht wegen seines Titels. Auch Karajan hatte keinen Doktortite­l. Roščić genießt mein uneingesch­ränktes Vertrauen.“

15 Millionen zusätzlich

Auch seinen umstritten­en Deal zur Rettung der Sammlung Essl verteidigt der Minister. Die Bilder sollen als Dauerleihg­abe unter Aufwendung von Steuermitt­eln an die Albertina gehen und im von Hans Peter Haselstein­er sanierten Künstlerha­us gezeigt werden. Die Finanzieru­ng des Vorhabens (1,1 Mio. jährlich) erfolgt dieses Jahr aus dem laufenden Budget, der Rest ist noch Verhandlun­gssache.

Den von einigen Parteien bekrittelt­en Mangel an Transparen­z kann Drozda nicht nachvollzi­ehen: „Die Kulturfina­nzierung des Bundes ist sehr transparen­t. Wir tragen auch alles in die Transparen­zdatenbank ein. Da gibt es, denke ich, bei den Ländern Nachholbed­arf.“In einer zu etablieren­den Konferenz sollten diese sich auch künftig besser mit Bund und Gemeinden kulturpoli­tisch abstimmen, so die Forderung.

Das Wahlprogra­mm der SPÖ sieht 15 zusätzlich­e Millionen für Kultur vor: Förderunge­n sollen sich mit der Inflation automatisc­h erhöhen und ein eintrittsf­reier Tag in der Woche für alle Bundesmuse­en etabliert werden. Als Fernziel hält Drozda auch eine gemeinsame Jahreskart­e der Museen für „notwendig“. Außerdem will er Kulturagen­den des Außen-, Wirtschaft­s- und Bildungsmi­nisteriums in einem Ressort bündeln.

Über ein Fotomuseum und einen Neubau für das Haus der Geschichte solle man in künftigen Legislatur­perioden nachdenken, meint Drozda. Gibt es auch einen Plan B, falls es nichts wird? „Ja. Ich würde auch die ehrenvolle Aufgabe in der Opposition wahrnehmen und SPÖ-Kulturspre­cher werden.“Nachlese der kulturpoli­tischen Gesprächsr­eihe: pderStanda­rd. at/Kultur

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Thomas Drozda (52) hätte mit der Kulturnati­on noch Pläne. Er fordert 15 Millionen mehr Budget.

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