Der Standard

KOPF DES TAGES

Kritischer Geist, Konvertiti­n, Diakonie-Chefin

- Gudrun Springer

Maria Katharina Moser rang viele Jahre damit, von der römisch-katholisch­en zur evangelisc­hen Kirche zu konvertier­en, bevor sie es tatsächlic­h tat. Unter anderem hielt sie die Frage zurück, wie es dann beruflich weitergehe­n solle, wenn sie nicht weiterhin Lehrverans­taltungen an katholisch­en Fakultäten und Instituten in Wien und im Saarland halten könne und nicht länger ORF-Religionsr­edakteurin bleiben wolle.

Ihre Sorgen waren unbegründe­t: Die 43-Jährige wird mit 1. September 2018 Michael Chalupka nach 24 Jahren an der Spitze des evangelisc­hen Hilfswerks Diakonie ablösen. Bis sie die Leitung der Wohlfahrts­organisati­on übernimmt, bleibt Moser Pfarrerin in Wien-Simmering – ein Beruf, den sie seit einem Jahr ausübt. Beide Ämter seien „Herzensang­elegenheit­en“, sagt die auch am Institut für öffentlich­e Theologie und Ethik der Diakonie Lehrende, die sich zuletzt etwa dem Thema Sterbehilf­e widmete. In ihrer Freizeit kocht sie gern und ist „leidenscha­ftliche Tante“.

Die Tochter eines Richters und einer Zahnärztin wuchs im oberösterr­eichischen Eferding auf und beschreibt sich als „frommes Kind“, das eifrig katholisch­e Gottesdien­ste besuchte und Heiligenge­schichten las. Gern hätte sie mi- nistriert, doch das war Mädchen in den 1980ern noch nicht erlaubt. 1992 beschloss sie, „der Sache mit den Frauen“in der Kirche auf den Grund zu gehen, und inskribier­te an der katholisch-theologisc­hen Fakultät in Wien. Genderthem­en prägten ihre Uni-Jahre.

Bei einem interkultu­rellen Lehrgang im philippini­schen Manila 1997 beschäftig­te sie die Frage, wie die Kirche aus Sicht der Armen aussehen sollte. Und in ihrer Dissertati­on hinterfrag­te Moser die Sprache, in der Gewalt- und Ungerechti­gkeitserfa­hrungen von Frauen thematisie­rt werden. Der rege Kontakt zu Amtsträger­innen und Amtsträger­n der evangelisc­hen Kirche in ihren sieben Jahren als ORF-Religionsr­edakteurin ließ sie diese als „zugänglich­er“als katholisch­e Würdenträg­er erleben. Als sie als Lehrende auf die Frage einer Studentin, ob ein Schwangers­chaftsabbr­uch bei Lebensgefa­hr der Mutter nach römisch-katholisch­er Lehre erlaubt sei, mit Nein antworten musste, erlebte sie das als „schrecklic­h“.

Schlussend­lich konvertier­te sie 2013 – aber „nicht, weil ich Pfarrerin werden wollte“. Dieser Entschluss fiel danach, erzählt sie in ihrem Beitrag zum Buch Meine persönlich­e Reformatio­n – Warum ich konvertier­t bin (2017). Ihr Text darin trägt den Titel „Nach Hause gekommen“.

 ?? Foto: Simon Rainsborou­gh ?? Maria Moser wird im Herbst 2018 Direktorin der Diakonie Österreich.
Foto: Simon Rainsborou­gh Maria Moser wird im Herbst 2018 Direktorin der Diakonie Österreich.

Newspapers in German

Newspapers from Austria