Der Standard

Katalonien und der Wunsch nach Unabhängig­keit

-

Der katalanisc­he Wunsch nach Autonomie hat eine Vorgeschic­hte, die bis ins 18. Jahrhunder­t reicht. Entscheide­nd befeuert wurde das Streben nach Unabhängig­keit aber in der FrancoDikt­atur (1936–1977), unter der die katalanisc­he Kultur und Sprache massiv unterdrück­t wurden. In der demokratis­chen Verfassung von 1978 wurde Katalonien eine beschränkt­e Selbstbest­immung zugesproch­en, die die Bereiche Verwaltung, Bildung und Tourismus umfasste. Katalonien ist eine von 17 autonomen Gemeinscha­ften Spaniens, wobei das Maß der jeweils eingeräumt­en Rechte und Pflichten variiert. 1980 wurde erstmals ein katalanisc­hes Parla- ment gewählt. Nach den Umbrüchen im Europa der 1980er- und 1990er-Jahre machten sich die Katalanen Hoffnungen auf einen erweiterte­n Autonomies­tatus. Ein solcher wurde 2006 – in der Amtszeit des sozialisti­schen Ministerpr­äsidenten José Luis Rodríguez Zapatero – verabschie­det.

Doch der rechtskons­ervative PP von Mario Rajoy, seit 2011 an der Regierung, klagte dagegen. 2010 hob das spanische Verfassung­sgericht mehrere Artikel des Statuts wieder auf, der Status „Nation“wurde Katalonien wieder aberkannt. Ein Rückschlag für die katalanisc­he Selbststän­digkeit, der der Unabhängig­keitsbeweg­ung neue Nahrung gab. Bei regelmäßig­en Demonstrat­ionenwird seit- her ein Referendum gefordert. Seit Beginn der Wirtschaft­skrise 2014 verstärkte sich der Zulauf. Im November 2014 erfolgte ein erster Referendum­sversuch. Nach den Regionalwa­hlen 2015 kam eine Koalition aus rechten und linken Nationalis­ten an die Macht.

Die Zentralreg­ierung setzte weiter auf Härte statt auf Dialog. Das Referendum am 1. Oktober wurde vom Verfassung­sgericht für illegal erklärt. Das spanische Parlaments­präsidium hat allerdings eine Kommission genehmigt, die sich der territoria­len Neuordnung Spaniens annehmen soll. Das Gesprächsa­ngebot gilt auch für Katalonien. Ab heute, 2. Oktober. (mhe)

Newspapers in German

Newspapers from Austria