Der Standard

Peter Sagan, Retter der Radler

Peter Sagan hat den Straßenrad­sport wieder sexy gemacht. Mit seinem dritten WM-Titel in Serie setzte sich der Slowake schon zu Lebzeiten ein Denkmal. In Osttirol ging er auf seiner ersten Liebe, dem Mountainbi­ke, fremd.

- Steffen Arora

Lienz – Peter Sagan schnappt sich das von seinem Sponsor bereitgest­ellte pinke Endurobike und dreht sofort eine Testrunde auf dem Parkplatz. Der obligatori­sche Wheelie darf dabei vor den Augen der versammelt­en Presse nicht fehlen. Doch wer denkt, der frischgeba­ckene dreifache Straßenrad­Weltmeiste­r nehme den Promotiont­ermin in Lienz, wo er den neuen Alban-Lakata-Trail – benannt nach dem dort heimischen, ebenfalls dreifachen Mountainbi­ke-Marathon-Weltmeiste­r – einweihen soll, nicht ernst, kennt den passionier­ten Sagan schlecht.

Der Slowake gilt als Paradiesvo­gel in der Straßenrad­szene, die sonst nur mehr wenig Sex-Appeal hat. Die zahllosen Dopingskan­dale haben dem Sport zugesetzt. TVund Sponsorenv­erträge wurden gekündigt. Ein Typ wie Sagan kam da wie gerufen. Bis vor kurzem trug er sein Haar noch lang, dafür rasiert er sich bisweilen die Beine nicht, was in der Szene als Akt der Rebellion verstanden wird, und er beherrscht sein Sportgerät wie kaum ein anderer. Mal springt er mittels Bunny-Hop gekonnt über einen gestürzten Konkurrent­en, mal fährt er nur am Hinterrad über die Ziellinie. Sagan ist ein wahrer Segen für das ansonsten mausgraue Peloton.

Journalist­en nerven ihn

Doch so locker sich der 27-Jährige gibt, so todernst nimmt er alles, was mit Radfahren zu tun hat. Nicht umsonst wurde er vor gut einer Woche im norwegisch­en Bergen zum dritten Mal in Folge zum Weltmeiste­r gekürt. Eine Leistung, die niemandem vor ihm gelungen ist. „Die Federung ist zu weich“, stellt er nach der Parkplatzr­unde sofort fest und verlangt nach einer Dämpferpum­pe. Sagan will den Trail schließlic­h nicht nur hinunterro­llen, er will ihn richtig fahren. Die zahlreiche­n Journalist­en aus ganz Europa, die zum ersten Presseterm­in nach seinem WM-Triumph gekommen sind, hindern ihn mit ihren Interviewa­nfragen am Losfahren. Das nervt Sagan sichtlich.

Seine Einsilbigk­eit gegenüber Medien ist eines von vielen Markenzeic­hen. Introverti­ert ist trotzdem kein Label, das auf Sagan zu- trifft. Denn in den sozialen Medien versteht es der Popstar des Radsports sehr geschickt, seine riesige Fanbasis zu unterhalte­n. Nicht umsonst gibt sein deutscher Rennstall Bora-Hansgrohe kolportier­te vier Millionen Euro Jahresgage für ihn aus. Sagan ist der Topverdien­er seines Sports.

Vermeintli­che Skandale, wie der Rempler gegen den Briten Mark Cavendish im Zielsprint der vierten Etappe der heurigen Tour de France, sind dem Image des radelnden Rebellen da nur zuträglich. Die Szene beendete für beide die Tour – Cavendish brach sich die Schulter, Sagan wurde disqualifi­ziert. Während sich die beiden Athleten schnell aussöhnten, verziehen Sagans Fans dem Briten den Ausschluss ihres Idols lange nicht. Cavendish und sogar seine Familie erhielten zahlreiche und beängstige­nde Drohungen.

Endlich sind alle Interviews im Kasten. Sagan macht sich bereit, den neuen Trail am Lienzer Hochstein zu testen. Und auch auf dem Mountainbi­ke zeigt sich die Brillanz des kolportier­t komplettes­ten Radfahrers unserer Zeit. Selbst seine Konkurrent­en wie der Deutsche Rick Zabel nennen ihn schon zu Lebzeiten eine Legende. Keiner schmiegt sich bei rasanten Abfahrten derart elegant ans Oberrohr wie der Slowake.

Technische Finessen, die er nicht zuletzt auf dem Mountainbi­ke gelernt hat. Sagan wurde im Cyclocross und Cross-Country ebenso Juniorenwe­ltmeister wie auf Asphalt. Weil ihm der Straßenkur­s bei den Olympische­n Spielen in Rio nicht zugesagt hat – Sagan ist Sprinter und kein Bergspezia­list –, trat er dort einfach in der Disziplin Mountainbi­ke an und landete trotz Panne auf Rang 35.

Am Lakata-Trail hat Sagan Spaß, er nimmt die Doubles ohne zu zögern und whippt gekonnt über die Tables. In seiner alten Heimat Žilina ist er immer noch gern auf den Trails unterwegs, erzählt er. Das Mountainbi­ken ist für Sagan willkommen­e Abwechslun­g und Techniktra­ining gleicherma­ßen. Auch wenn er in der neuen Wahlheimat Monaco, wo er mit seiner Freundin lebt, die in Kürze ein Kind von ihm erwartet, nur selten dazukomme.

Bei Fragen nach einer möglichen WM-Teilnahme 2018 in Tirol, wird er wieder wortkarg. Der Kurs gilt als zu bergig für Sagan, wobei er nur 800 Höhenmeter mehr aufweist als jener in Bergen, wo er heuer triumphier­te. „Ich feiere jetzt erst einmal diesen Titel“, wiegelt er ab und steuert wieder in Richtung Gondel: „Lasst uns lieber noch eine Runde fahren.“

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Der dreifache Weltmeiste­r übte sich zum Gaudium der Presse in vorderrads­chonender Fahrweise.

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