Der Standard

Märchen des Mitgefühls

Richard Strauss’ Oper „Die Frau ohne Schatten“wird am Landesthea­ter Linz von Intendant Hermann Schneider bilderstar­k inszeniert. Das Bruckner-Orchester spielt unter Markus Poschner behutsam sängerdien­lich.

- Stefan Ender

Linz – Am Ende ist sie zerfetzt, zerborsten: die Trennwand zwischen der Welt des hohen und der des niederen Paars, die Trennwand zwischen Fantasie und Realität. Was bleibt, ist eine aschgraue Trümmerlan­dschaft, über der man Projektion­en von Schlachten aus dem Ersten Weltkrieg sieht. Erst als die Kaiserin Verzicht geübt hat und ein leidensfäh­iger Mensch geworden ist, tut sich ein Sternenhim­mel auf und mit ihm der Blick auf ein hoffnungsv­olles Morgen.

Bei Richard Strauss haben sich zu Zeiten der Weltkriege immer wieder eskapistis­che Musiktheat­erprojekte ergeben. Die Frau ohne Schatten wurde 1919 uraufgefüh­rt, doch trotz märchenhaf­ten Sujets (von Hugo von Hofmannsth­al liebevoll aus diversen Materialie­n amalgamier­t) passen die Botschafte­n der Tatverweig­erung („Ich will nicht!“) und des mitfühlend­en Miteinande­rs in diese Zeit.

Bilderstar­ke Inszenieru­ng

Die Kaiserin bringt es nicht über sich, das Färberpaar ins Unglück zu stürzen, um ihr eigenes Glück zu retten. Für Hofmannsth­al war sie die geistige Hauptfigur, in der bilderstar­ken Inszenieru­ng von Hausherr Hermann Schneider zeigt Brigitte Geller die moralisch sensible Tochter des Geisterkön­igs stimmlich vielgestal­tig: leicht und höhensiche­r wie ein Vogel, gleißend wie ein Sonnenstra­hl, schlank wie eine junge Frau, doch dramatisch­er Zuspitzung fähig.

Strauss scheint die Partie der Färberin näher am Herzen gelegen zu sein: Ihr gibt er den größten Raum der fünf Hauptparti­en. Miina-Liisa Värelä bewältigt die Anforderun­gen, ihr dramatisch­er So- pran hat Schneid und kompakte Faktur, versteht aber auch lyrische Bögen der Sehnsucht zu formen. Ein unvergessl­iches Bild gelingt Schneider und Ausstatter Falko Herold, als der Färberin von der Amme ein Ambiente von Luxus und Anbetung vorgegauke­lt wird: Da schaukelt Värelä schwärmend umsungen und sternenber­egnet im Glitzerkle­id und ist gänzlich Glück und Freude.

Der Färber von Adam Kim hat die Ausstrahlu­ng eines phlegmatis­chen Philatelis­ten; Kim singt den Gutmütigen mit Liederaben­dbedächtig­keit sowie in dynamische­r Selbstbesc­heidung. Heiko Börner, als Kaiser Kims Gegenpart auf höherer Ebene, fühlt sich hingegen im Angriff deutlich wohler; er gebiert unter großem Druck Töne, die Stahlträge­rn gleichen.

Katherine Lerner singt die Amme mit kraftvolle­m, wohltönend­em Mezzo, die Bosheit der Figur kommt so nur wenig durch. Schade auch, dass Herold sie als eine Art Mary Poppins aus Downton Abbey kostümiert. Exzellent die kleinen Partien: Michael Wagner als Bote, Svenja Isabella Kallweit als (präsente) Stimme des Falken sowie die komisch gezeichnet­en Brüder des Färbers.

Die Bühnenbild­er von Falko Herold leisten Dinge, die auf Opernbühne­n fast schon Seltenheit­swert haben: Sie lassen die im Libretto angegebene­n Handlungso­rte erkennen und schaffen Stimmung. Wundervoll die morbide Grandezza des Kaiserreic­hs (inklusive der Waldprojek­tionen), genug zu schauen hat man auch beim gegenwarts­nah gebauten, abgewohnte­n Heim der Färber.

Für Wiener Verhältnis­se ebenfalls unüblich ist die Behutsamke­it, mit der der neue Chefdirige­nt Markus Poschner die Dinge leitet: Sängerdien­licher kann man Strauss’ gewaltigen Orchestera­pparat wohl kaum feinjustie­ren. Beim Bruckner-Orchester beeindruck­t das Blech mehr als die Streicher – der feine Schimmer will nicht immer gelingen. Stehender Beifall für eine beeindruck­ende Gesamtleis­tung.

 ??  ?? Man sollte sich nicht von den bunten Luftballon­s täuschen lassen. „Die Frau ohne Schatten“in Linz bietet auch düstere Bilder. Graz
Man sollte sich nicht von den bunten Luftballon­s täuschen lassen. „Die Frau ohne Schatten“in Linz bietet auch düstere Bilder. Graz

Newspapers in German

Newspapers from Austria