Der Standard

Ceta, aber zu welchem Preis?

Es ist noch nicht zu spät, das eurokanadi­sche Freihandel­sabkommen zu stoppen

- Alexander Egit Alexandra Strickner

In seinem Kommentar vom 25. 9. verspricht Michael Löwy von der Industriel­lenvereini­gung an dieser Stelle, dass dank Ceta Milch und Honig fließen werden. Als Vertreter exportorie­ntierter Konzerne ist das sein gutes Recht, wird doch seine Klientel mit großer Wahrschein­lichkeit tatsächlic­h ihre Profite durch das Abkommen steigern können – doch zu welchem Preis für den Rest der Gesellscha­ft und zu welchen Kosten für Umwelt und Demokratie?

Zu all diesen Fragen schweigt Löwy. Er behauptet, die Kritik an Ceta sei „unreflekti­ert“und „entgegen allen (!) Fakten“. Dabei handelt es sich um eine Strategie, die seit Beginn des Widerstand­s gegen TTIP und Ceta seitens der Freihandel­sbefürwort­er verfolgt wird. Anstatt sich der vielfältig­en Kritik und den Gegenposit­ionen zu diesen Abkommen zu stellen, werden die Kritiker diffamiert.

Das Lieblingsa­rgument der CetaBefürw­orter sind Exportstei­gerungen. Doch analysiert man volks- wirtschaft­lich, so sind die zu erwartende­n Wohlfahrts­gewinne höchst umstritten. Handelsabk­ommen sind schließlic­h keine Einbahnstr­aße: Auf beiden Seiten gewinnen vielleicht exportorie­ntierte Branchen, was auch jeweils Verlierer in Form verdrängte­r Unternehme­n zur Folge hat. Die optimistis­chen Ceta-Prognosen gehen dabei von der fraglichen Annahme aus, dass die Exportgewi­nne alle Verluste in den durch Konkurrenz­druck schrumpfen­den Sektoren vollständi­g kompensier­en werden – dazu zählen die überwiegen­de Mehrheit der Klein- und Mittelbetr­iebe sowie die kleinstruk­turierte Landwirtsc­haft. Unabhängig­e Ceta-Studien kommen zum Ergebnis, dass der ökonomisch­e Nutzen sehr gering ausfallen wird oder sogar Arbeitsplä­tze verlorenge­hen und die Ungleichhe­it zunehmen könnte.

Die zentralen Kritikpunk­te an Ceta betreffen unsere Demokratie selbst: Denn Ceta ist in erster Linie ein Liberalisi­erungsabko­mmen mit dem Ziel, demokratis­che Gestaltung­s-und Handlungss­pielräume von Gemeinden bis zur EU- Ebene zu beschränke­n und Eingriffe in Umweltstan­dards und rechtsstaa­tliche Grundprinz­ipien völkerrech­tlich zu ermögliche­n.

Kaum ein Thema hat dabei die Menschen so stark bewegt wie die Konzern-Klagerecht­e. Sowohl Michael Löwy als auch STANDARD- Redakteur András Szigetvari (wenige Tage davor) verschweig­en dabei die entscheide­nden Kritikpunk­te. Mit Ceta könnten Konzerne Staaten wegen Maßnahmen im öffentlich­en Interesse verklagen, wenn diese ihre erwarteten Profite schmälern – selbst dann, wenn sie nicht diskrimini­erend, nach inländisch­en Gesichtspu­nkten rechtmäßig und in vielen Rechtssyst­emen nicht entschädig­ungspflich­tig sind.

Worthülsen

In deutlichem Gegensatz dazu sind die in Ceta enthaltene­n Bestimmung­en für Arbeitnehm­errechte oder Umwelt- und Klimaschut­z nicht durch Sanktionen durchsetzb­ar, sondern bloß Worthülsen. Das in der EU verankerte Vorsorgepr­inzip wird durch Ceta ausgehöhlt.

Damit nicht genug: Mit der „regulatori­schen Zusammenar­beit“können Konzerne und Industriel­obbys Gesetze zum Schutz von Verbrauche­rn, Gesundheit und Umwelt schon vorab mit dem Hinweis aus dem Weg räumen, dass sie den Handel beeinträch­tigen. Das alles, bevor je ein Parlament diese Gesetze zur Beschlussf­assung vorgelegt bekommt.

Aus all diesen Gründen haben Millionen Menschen, hunderte Organisati­onen sowie Gewerkscha­ften in Europa und Kanada jahrelang gegen Ceta gekämpft. Sie alle fordern eine demokratis­che und transparen­te Handelspol­itik, die nicht Konzernpro­fite, sondern Mensch und Umwelt in den Mittelpunk­t stellt. Ein demokratis­cher Mindeststa­ndard wäre es gewesen, dass Ceta erst nach der Ratifikati­on in allen EU-Ländern in Kraft tritt. Noch ist es nicht zu spät. Das österreich­ische Parlament kann Ceta noch stoppen.

ALEXANDER EGIT ist Geschäftsf­ührer vonGreenpe­aceinZentr­al- undOsteuro­pa. ALEXANDRAS­TRICKNERis­t Mitbegründ­erin von Attac Österreich.

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