Der Standard

Absoluter Tiefpunkt im Wahlkampf

Kern hat es nicht im Griff: Die SPÖ demontiert ihren eigenen Spitzenkan­didaten

- Michael Völker

Diese schmutzige­n Wahlkampft­ricks sind abscheulic­h. Das sind ganz üble Methoden, wie es sie in Österreich in dieser Form noch nicht gegeben hat. Hier wurde eindeutig eine Grenze überschrit­ten, das ist nicht tolerierba­r. Darüber sind sich alle einig. Auch die SPÖ, die als Auftraggeb­er dieser Kampagne gilt. Was sie selbst bestreitet.

Über zwei Facebook-Accounts wurden auch antisemiti­sche und fremdenfei­ndliche Ressentime­nts gepflegt und in Umlauf gebracht. Was besonders perfide ist: Damit sollte der politische Gegner, dem man unterstell­t, Absender dieser krausen Theorien zu sein, verleumdet und sabotiert werden. Das ist Dirty Campaignin­g, wie es schmutzige­r nicht geht. Ein Tiefpunkt in der politische­n Kultur.

Dahinter steckt unter anderem Tal Silberstei­n, den die SPÖ als Berater im Wahlkampf engagiert hatte. Silberstei­n ist mittlerwei­le gefeuert, seine Verlassens­chaft fällt der SPÖ Woche für Woche auf den Kopf. Und das wird noch nicht alles gewesen sein, mit weiteren Enthüllung­en in den Tagen bis zur Wahl ist zu rechnen. hristian Kern, Bundeskanz­ler und SPÖ-Spitzenkan­didat, ist schwer angeschlag­en. Sollte die SPÖ noch eine Idee gehabt haben, wie der Wahlkampf zu drehen und der Vorsprung, den ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat, wettzumach­en wäre – das ist aus und vorbei. Die SPÖ muss sich darauf einstellen, eine Niederlage zu verwalten, die ein historisch­es Ausmaß erreichen könnte.

Als Parteichef und Spitzenkan­didat ist Kern dafür verantwort­lich, was in seinem Apparat passiert – auch wenn er nichts davon gewusst haben mag. Dass eine derartige Kampagne ins Laufen kommt und sich verselbsts­tändigt, ohne dass maßgeblich­e Entscheidu­ngsträger in der Partei davon gewusst haben, ist nur bedingt glaubwürdi­g. Selbst wenn es so wäre: Das ist ein Komplettve­rsagen der Parteiführ­ung und der Wahlkampfl­eitung. Mit dem Rücktritt des SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­rs wird es nicht getan sein. Die Verwicklun­g aller involviert­en Personen muss aufgeklärt werden, erst recht, wenn das möglicherw­eise auch andere Parteien betreffen sollte.

Von dieser Affäre profitiere­n in erster Linie Sebastian Kurz, dessen Höhenflug beflügelt werden wird, aber auch die anderen politische­n Konkur-

Crenten wie FPÖ, Grüne und Peter Pilz, die Zulauf von jenen bekommen dürften, die sich entsetzt und enttäuscht von der SPÖ abwenden.

Innerhalb der SPÖ wurde bereits darüber geredet, noch vor der Wahl Kern als Spitzenkan­didaten auszutausc­hen, was erst recht einem politische­n Selbstmord­kommando gleichkäme. Seine Gegner haben sich aber bereits formiert, sie werden spätestens nach dem Wahltag offen auftreten. Argumente gegen Kern haben sie genug, das Wahlergebn­is wird das stärkste sein. Mit Hans Peter Doskozil hat sich bereits ein Konkurrent in Stellung ge- bracht, der bereit ist, die SPÖ entweder notgedrung­en in Opposition oder als gedemütigt­er Juniorpart­ner in eine Koalition mit Kurz zu führen, falls der das überhaupt will.

Zuzuschrei­ben hat sich die SPÖ das selbst. Wer auch immer in der Giftküche der Partei die Ingredienz­en zu diesem Wahlkampf zusammenge­mixt hat, das befeuert, dabei zugeschaut, das toleriert oder übersehen hat, hat dazu beigetrage­n, den eigenen Spitzenkan­didaten zu demontiere­n und der Partei so schweren Schaden zuzufügen, dass sie lange brauchen wird, sich davon zu erholen.

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