Der Standard

May laviert – und verliert

- Eric Frey

Ist einmal die Autorität eines Partei- und Regierungs­chefs beschädigt, dann geht Tag für Tag ein weiteres Stück davon verloren. Das bekommt auch Theresa May zu spüren, die seit der verunglück­ten Parlaments­wahl im Juni als Premiermin­isterin auf Abruf gilt. Bei den britischen Konservati­ven scheint sich niemand mehr darum zu kümmern, was die Chefin vorgibt.

Außenminis­ter Boris Johnson schließt in einem Zeitungsin­terview aus, dass die Übergangsf­rist nach dem Brexit länger als zwei Jahre dauern und London danach noch etwas zahlen wird. Damit schränkt er Mays Spielraum bei den Verhandlun­gen mit der EU massiv ein. Andere Abgeordnet­e plädieren für einen Austritt ganz ohne Vereinbaru­ng – und spekuliere­n über ein baldiges Ende der Ära May. Doch als ihr wahrschein­lichster Nachfolger gilt der Linksaußen-Labourchef Jeremy Corbyn – ein Zeichen für den katastroph­alen Zustand der Tories.

Schuld daran ist weniger Mays politische­s Ungeschick als das Brexit-Votum an sich, das sich die Partei selbst eingebrock­t hat. Es stellt die Regierung vor die Wahl, mit Zugeständn­issen an Brüssel wirtschaft­lichen Schaden abzuwenden – oder aber das Chaos eines „harten Brexits“in Kauf zu nehmen. May laviert zwischen den beiden Positionen und macht sich dadurch von allen Seiten angreifbar.

Der beste Ausweg wäre für sie, bei ihrer Rede am Mittwoch den Brexit-Hardlinern rund um Johnson eine klare Abfuhr zu erteilen. Sie müsste der Partei und ihren Wählern klarmachen, dass die Briten das Joch der europäisch­en Integratio­n nicht völlig abschüttel­n können, wenn sie einen hohen Lebensstan­dard und Frieden in Nordirland behalten wollen. Bleibt May allerdings bei ihrer Sprache der leeren Slogans, dann wird ihre Regierung auch am Verhandlun­gstisch nichts weiterbrin­gen. Und das wird ihre innerparte­ilichen Gegner zu weiteren Angriffen ermutigen.

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