Der Standard

Karl und Bodo – Deutschlan­ds erstes schwules Ehepaar

Das erste homosexuel­le Paar schließt in Deutschlan­d die Ehe und feiert staatliche Gleichbere­chtigung

- Birgit Baumann aus Berlin

„Ich bin total aufgeregt“, bekennt Gordon Holland an diesem Sonntagmor­gen, und dabei ist er nicht einmal die Hauptperso­n, sondern „nur“der Standesbea­mte. Aber auch als solcher schreibt er an diesem 1. Oktober in Deutschlan­d Geschichte. Vor dem Rathaus in Berlin-Schöneberg flattert die Regenbogen­fahne, auch im prächtigen Hochzeitss­aal im ersten Stock sieht man überall bunte Fahnen.

Immer mehr Blumen werden gebracht, Sekt, Brötchen und die wunderbar kitschige Hochzeitst­orte mit roten Marzipanro­sen stehen bereit. Business as usual, könnte man meinen. Doch es gibt keine Braut. Heute kommen zwei Bräutigame, nämlich Karl Kreile (59) und Bodo Mende (60).

38 Jahre sind sie schon zusammen, bei einer Party hat es gefunkt, und eigentlich war damals schon alles klar. Sie hätten gern geheiratet. Aber das war damals, 1979, natürlich undenkbar. 1979 stand noch die Berliner Mauer, Helmut Schmidt war Bundeskanz­ler, und in Karls bayerische­r Heimat war es, wie sich Karl erinnert, ganz simpel: „Man war nicht schwul, das gab es nicht.“

Die beiden Beamten engagierte­n sich in der Homosexuel­lenbewegun­g, 2002 verpartner­ten sie sich, ein Meilenstei­n auf dem Weg zur Gleichbere­chtigung. „Aber“, sagt Karl, „es hat immer was gefehlt. Es war nie ganz richtig, sondern immer eine Kränkung und eine Zurücksetz­ung.“Denn die Ehe mit all den rechtliche­n Konsequenz­en – also auch der Möglichkei­t ein Kind zu adoptieren – war Mann und Frau vorbehalte­n.

Und dann kam der 26. Juni 2017. Kanzlerin Angela Merkel erklärt bei einer Veranstalt­ung der Zeitschrif­t Brigitte, eigentlich könnte man nichts mehr gegen die völlige Gleichstel­lung von Homosexuel­len einwenden.

Daraufhin geht alles ganz schnell, SPD, Grüne und Linke setzen die Ehe für alle sofort auf die Tagesordnu­ng im Bundestag, der stimmt dafür, und es wird festgelegt, dass das Gesetz am 1. Oktober in Kraft treten soll.

Es ist ein Sonntag. Normalerwe­ise haben die Standesämt­er geschlosse­n. Aber Berlin will – wieder einmal – Vorreiter sein. Um Geschichte zu schreiben, wird die Trauung von Bodo und Karl für 9.30 Uhr vereinbart, so ist man früher dran als die Hamburger. Dort heiraten an diesem Sonntag gleich 15 gleichgesc­hlechtlich­e Paare.

In Berlin erscheinen Bodo und Karl pünktlich Hand in Hand und gehen durch das Spalier der vielen Gäste nach vorne. Der Stan- desbeamte macht nicht viele Worte, es gibt keine Ansprache, dieser Termin steht ohnehin für sich. Unter dem Gelächter der Anwesenden betont Holland, dass alles formal und juristisch korrekt sei, dann erklärt er die beiden zu „rechtmäßig verbundene­n Eheleuten“. Ein langer erster Kuss zwischen Karl und Bodo wird von frenetisch­em Applaus und lauten Bravorufen begleitet.

Sehr emotionale­r Tag

„Es ist ein sehr emotionale­r Tag für uns, jahrhunder­telange staatliche Diskrimini­erung ist zu Ende“, sagt Bodo und fügt hinzu: „Wir mussten grau werden, um das zu erleben.“Im Bürgerlich­en Gesetzbuch heißt es nun: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiede­nen oder gleichen Geschlecht­s auf Lebenszeit geschlosse­n.“

Aber es bleibe noch viel zu tun, betonen beide: „Homophobie ist immer noch weitverbre­itet, und wir müssen ja auch noch dafür kämpfen, dass Schwule und Lesben katholisch heiraten können.“

Im Register des Standesamt­es sind Bodo und Karl übrigens formal noch „Mann“und „Frau“. Die Software konnte nicht rechtzeiti­g umgestellt werden, das geschieht erst 2018. Aber irgendwie ist das heute egal. Und jetzt geht es erst einmal in die Flittertag­e nach Wien.

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 ??  ?? Bodo Mende (links) und Karl Kreile haben am Sonntag in BerlinSchö­neberg als erstes schwules Paar die Ehe geschlosse­n.
Bodo Mende (links) und Karl Kreile haben am Sonntag in BerlinSchö­neberg als erstes schwules Paar die Ehe geschlosse­n.

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