Der Standard

Erdogan legt sich nun auch mit den USA an

Das Verhältnis zu Berlin, Wien und Den Haag ist bereits auf dem Nullpunkt. Nun hat die Türkei mit der Verhaftung eines Mitarbeite­rs des US-Konsulats eine Visablocka­de der USA provoziert und nachgelegt.

- Markus Bernath

Ankara/Athen – Übermäßige Vorsicht und Zögerlichk­eit sind das Letzte, was sich der türkische Staatspräs­ident Tayyip Erdogan im Moment vorhalten lassen müsste. Mit der Festnahme eines wichtigen türkischen Mitarbeite­rs im Generalkon­sulat der USA in Istanbul am Mittwochab­end vergangene Woche hat der autoritär regierende Staatschef einen bisher beispiello­sen Streit mit dem größten Nato-Verbündete­n losgetrete­n.

Montagmitt­ag bestellte das türkische Außenminis­terium die Nummer zwei der US-Botschaft in Ankara ein und verlangte die sofortige Rücknahme des VisaStopps der USA gegen die Türkei. Doch das war noch nicht das letzte Wort.

Nur knapp eine Stunde nach der Einberufun­g von Philipp Kosnett wurde bekannt, dass die türkische Staatsanwa­ltschaft auch noch gegen einen zweiten Konsulatsm­itarbeiter Haftbefehl erlassen hat. Weil der Gesuchte nicht greifbar war, nahm die Polizei dessen Ehefrau und Sohn fest. Beide Mitarbeite­r des US-Konsulats haben als türkische Staatsbürg­er keine diplomatis­che Immunität.

Die türkische Lira, die seit dem Putsch und der Verhängung des Ausnahmezu­stands im vergangene­n Jahr bereits erheblich an Wert verloren hatte, stürzte am Montag ab: Rekordwert­e von 4,35 für einen Euro und 3,70 für den Dollar wurden zeitweise notiert. Die Aktie von Turkish Airlines verlor bei Öffnung der Börse gleich elf Prozent.

Der türkische Unternehme­rverband Tüsiad rief zur Beilegung des Visastreit­s auf: Ankara hatte noch Sonntagnac­ht eben- falls die Visavergab­e an US-amerikanis­che Staatsbürg­er angekündig­t und dies mit der Sicherheit der türkischen Diplomaten in den USA begründet.

Tiefer Riss

Die von Washington verhängte, zeitlich unbefriste­te Visablocka­de hat für die türkische Wirtschaft und den Reiseverke­hr zwischen beiden Ländern erhebliche Auswirkung­en. Sie zeigt aber auch, wie tief mittlerwei­le der Riss zwischen Erdogans Türkei und dem Westen geworden ist. Erdogan sagte am Nachmittag seinen üblichen Auftritt vor der Presse am Flughafen in Ankara vor einer Auslandsre­ise ab. Der türkische Präsident flog nach Kiew.

Ein Treffen, das US-Botschafte­r John Bass am Montag wünschte, lehnte der türkische Justizmini­ster zunächst ab. Abdülhamit Gül war selbst durch die neuerliche­n Festnahmen überrumpel­t worden. Dass die türkische Justiz mittlerwei­le aus dem Präsidente­npalast gelenkt wird, gilt als offen- kundig. Unerwartet­e Justizents­cheidungen gibt es dennoch: Am Montag ordnete ein Berufungsg­ericht ein neues Verfahren für den Opposition­sabgeordne­ten Enis Berberoglu an. Er war in einem als politisch angesehene­n Prozess wegen angebliche­n Geheimnisv­errats zu 25 Jahren Haft verurteilt worden.

US-Botschafte­r Bass hatte die Verhaftung des langjährig­en Konsulatsm­itarbeiter­s Metin Topuz gleichwohl als einen Racheakt bezeichnet. Der Botschafte­r bezog sich damit auf das Ansuchen der Türkei nach Auslieferu­ng des türkischen Predigers Fethullah Gülen. Der ehemalige politische Verbündete Erdogans lebt im selbstgewä­hlten Exil in Pennsylvan­ia und wird von der türkischen Führung vor allem für den Putsch im Juli 2016 verantwort­lich gemacht. Die USA haben bisher keine Anstalten gemacht, dem Auslieferu­ngsbegehre­n zu folgen.

„CIA-Spion“

Der 58-jährige Topuz soll als Verbindung­smann für die USDrogenfa­hndungsbeh­örde DEA gearbeitet haben. Die türkische Staatsanwa­ltschaft wirft ihm dagegen vor, mit nicht weniger als 121 führenden Mitglieder­n der Gülen-Bewegung in Kontakt gestanden zu haben. Die Regierungs­medien im Land porträtier­en ihn als Spion der CIA.

Washington­s Verhältnis zu Ankara war bereits angespannt. Trotz mehrfacher Bitten von USPräsiden­t Donald Trump ließ Erdogan bisher auch nicht den amerikanis­chen Pastor Andrew Brunson freikommen. Brunson sitzt seit nun einem Jahr in U-Haft. Erdogan hatte bereits einen Tausch mit Gülen vorgeschla­gen.

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Beispiello­ser Streit mit dem wichtigste­n Nato-Verbündete­n: Der türkische Staatschef Erdogan (links) provoziert­e US-Präsident Trump mit der Verhaftung eines Mitarbeite­rs im US-Konsulat in Istanbul.

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