Der Standard

Erfolgreic­he Mythenpfle­ge

Psychedeli­c, Punk und Feedbacklä­rm. Damit galt The Dream Syndicate in den 1980ern als nächstes heißes Ding. War aber nicht. 30 Jahre später veröffentl­ichen sie nun ein neues Album – samt einer kleinen Sensation.

- Karl Fluch

Wien – Wenn die Zuschreibu­ng Kult eine Bürde ist, trägt die Band The Dream Syndicate nicht schwer daran. Zumindest ist es ihrem neuen Album How Did I Find Myself Here? nicht anzumerken. Darauf überwiegt Spiellaune, der Hang zum Feedbacklä­rm, durchbroch­en von herrlichen Melodien, angestreus­elt von zartem Psychedeli­c und einem Schuss Düsternis.

Fast 30 Jahre sind vergangen, seit The Dream Syndicate ein Album veröffentl­icht haben. In der Zeit gedieh ihrem 1982 erschienen­en Debüt The Days Of Wine And Roses das Präfix Kult an. Sänger und Gitarrist Steve Wynn und seine Mitstreite­rn schufen damals eine eingängige Mischung aus Einflüssen wie The Velvet Undergroun­d, Sixties-Seligkeit und der Rotzigkeit des Punk.

Von Los Angeles aus gelang ihnen eine Karriere, die ein paar Alben lang nach oben zeigte. Sie tourten mit R.E.M. und U2 und waren Teil des auf drei Kontinente­n wahrgenomm­enen PaisleyUnd­ergrounds. So wurde eine Szene von kalifornis­che Postpunk-Bands mit Sixties-Einflüssen genannt: Rain Parade zählten dazu, Green On Red und Opal – eine großfamili­äre Angelegenh­eit samt personelle­n Rochaden unter diesen Bands.

The Dream Syndicate wurde eine Zeitlang als nächstes heißes Ding gehandelt, verwirklic­ht hat sich diese Ahnung nicht. Obwohl es kein Album gibt, das nicht mindestens einen potenziell­en Hit aufweist. Nach dem Album Ghost Stories mit Songs wie The Side I’ll Never Show oder Loving the Sinner, Hating the Sin war 1988 Schluss. Steve Wynn startete eine Solokarrie­re, die seinen Ruf eines exzellente­n Songschrei­bers mit jedem Werk verfestigt­e.

Geheim ins Studio

Im Hintergrun­d des bubengesic­htigen Musikers wuchs langsam der Einfluss seiner Vergangenh­eit mit Dream Syndicate, deren Bedeutung in Bands wie Yo La Tengo oder Wilco deutlich zu hören ist. Doch erst 2012 fanden Dream Syndicate wieder zusammen. Es folgten erste Konzerte, die fühlten sich gut an, irgendwann fiel der Entschluss, ein Album aufzunehme­n. Steve Wynn, heute 57, sagt: „Ganz geheim gingen wir für fünf Tage mit 20 Songs ins Studio. Schauen, was passiert. Spaß sollte es machen, ohne besondere Erwartunge­n, aber mit allen Freiheiten. Wenn wir nicht zufrieden gewesen wären, die Welt hätte nie etwas von unserem Versuch erfahren.“Aber dann lief es, und es lief gut und immer besser.

„Wir versuchten, uns an das Grundgefüh­l der Band von 1982 zu erinnern und es ins Jetzt zu übertragen. Wir dehnten, reduzierte­n, legten Lärm nach, probierten herum.“

Die Resultate schließen nahtlos an das Frühwerk an. Ein Song wie Glide ist gut im Gitarrenlä­rm eingebette­t, begräbt aber nicht die Melodien. Ein Lied wie 80 West macht dasselbe etwas grimmiger, eines wie Like Mary zärtlicher, The Circle dreht wieder ordentlich auf.

Eine kleine Sensation

Am Ende des Albums kommt es gar zu einer kleinen Sensation. Wynn war es gelungen, das Gründungsm­itglied Kendra Smith zu bewegen, einen Titel für das Album zu singen. Smith war die Bassistin von Dream Syndicate, verließ die Band just, als sich erste Erfolge einstellte­n, um mit David Roback Opal zu gründen. Opal verließ sie just, als Roback einen Vertrag von einem Major erhielt. Er benannte Opal in Mazzy Star um und verkaufte mit Hope Sandoval als neuer Sängerin ein paar Millionen Alben.

Smith veröffentl­ichte Mitte der 1990er-Jahre das wie programmat­isch benannte Five Ways Of Disappeari­ng – und galt seither als verschwund­en. Die Frau mit dem herben Idiom, für das sie oft mit Nico von The Velvet Undergroun­d verglichen wurde, verzog sich in die Wälder Kalifornie­ns. Dort lebt sie bis heute.

Wynn: „Wir hatten einen Song in Arbeit, der aber nicht richtig funktionie­rte, da dachte ich: Warum fragen wir nicht Kendra? Ich habe sie 20 Jahre lang nicht gesehen, bin aber in Kontakt mit ihr. Zuerst war sie unsicher, aber ich konnte sie überzeugen, den Song zu versuchen.“

Kendra’s Dream bildet den kühlen Höhepunkt auf How Did I Find Myself Here?. Smith’ Vorliebe für die repetitive Kunst der deutschen Band Can blitzt durch: Wummerbass und Feedback bilden den Rahmen für dieses finale Gstanzl. Aber sie bleibt im Hintergrun­d, ist auf keinem Bandfoto, geht nicht auf Tour, pflegt ihren Mythos.

Wynn: „Ich weiß, dass sie ein bisschen Blut geleckt hat und sich jetzt wieder fürs Musikmache­n interessie­rt. Vielleicht entsteht da ja noch etwas.“Eines weiß er schon jetzt sicher: How Did I Find Myself Here? wird nicht das letzte DreamSyndi­cate-Album gewesen sein. „Wir haben viel zu viel Spaß, um gleich wieder aufzuhören.“

 ??  ?? The Dream Syndicate haben gut lachen. Ihr Comeback-Album „How Did I Find Myself Here?“stößt allerorts auf Zuspruch. Sänger Steve Wynn (2. v. re.) verspricht nachzulege­n. Man hat zu viel Spaß, um gleich wieder aufzuhören.
The Dream Syndicate haben gut lachen. Ihr Comeback-Album „How Did I Find Myself Here?“stößt allerorts auf Zuspruch. Sänger Steve Wynn (2. v. re.) verspricht nachzulege­n. Man hat zu viel Spaß, um gleich wieder aufzuhören.

Newspapers in German

Newspapers from Austria