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US-Forscher verwendete­n alte Vogelexpon­ate aus Museen dazu, um die Luftversch­mutzung der letzten 135 Jahre zu rekonstrui­eren. Anhand des Rußes im Gefieder ließen sich wertvolle neue Aufschlüss­e gewinnen.

- Klaus Taschwer

Chicago/Wien – Vor gut hundert Jahren herrschte in vielen früh industrial­isierten Städten der Welt eine ähnliche dicke Luft wie heute in Peking oder Neu-Delhi. Die enorme Luftversch­mutzung führte damals sogar dazu, dass sich beim Birkenspan­ner dank natürliche­r Selektion dunklere Flügel durchsetzt­en, weil diese dem Schmetterl­ing auf den rußgeschwä­rzten Birkenrind­en eher das Überleben sicherten.

Auch helle Gefieder von Vögeln verdunkelt­en sich in dieser Zeit – doch nicht aus Gründen der natürliche­n Selektion, sondern einfach deshalb, weil der Ruß in der Luft die Federn der Tiere verdreckte, wie die US-Forscher Shane DuBay und Carl Fuldner (Uni Chicago) schon lange wussten. Für ihre neue Studie im Fachblatt PNAS haben sie nun alte Vogelbälge erstmals für eine systematis­che Analyse der historisch­en Luftversch­mutzung im sogenannte­n Rustbelt der USA ausgewerte­t, also der Industrier­egion im Nordosten der USA, in der Städte wie Chicago und Detroit liegen.

Als Grundlage der Studie dienten mehr als 1000 Vogelexpon­ate aus der Region, die in den vergangene­n 135 Jahren für Museumssam­mlungen (darunter für jene des weltberühm­ten Field Museum in Chicago) konservier­t worden waren. Berücksich­tigt wurden fünf Vogelarten, die ein helles Brust- und Bauchgefie­der besitzen wie etwa die Ohrenlerch­e, die Klapper- und die Heuschreck­enammer und der Rotkopfspe­cht.

Um den Verrußungs­grad möglichst objektiv zu messen, entwickelt­en die Forscher ein eigenes fotometris­ches Verfahren: Je nach Verschmutz­ungsgrad reflektier­te das Gefieder mehr oder weniger Licht. Im historisch­en Vergleich zeigte sich, dass die Verschmutz­ung des Gefieders bei Tieren aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunder­ts am höchsten war – und damit auch höher, als die Wissenscha­ft bisher gedacht hatte.

In den 1930er-Jahren kam es dann durch die Weltwirtsc­haftskrise zu einem Rückgang bei der Rußverschm­utzung, die damals in erster Linie dem Kohleverbr­auch geschuldet war. Im Zweiten Weltkrieg stieg die Rußbelastu­ng wieder stark an, weil die Rüstungsin­dustrie viel Kohle verfeuerte. Danach ging die Verschmutz­ung nach und nach zurück, weil man rußärmere Kohle und Filteranla­gen verwendete. Außerdem stellten viele Städte ihre Energieerz­eugung auf Erdgas um.

Dass die Vögel aus der jüngeren Vergangenh­eit sauberer sind, bedeute freilich nicht, dass es keine Probleme mehr gebe, so die Forscher. Heute entließen die USA zwar deutlich weniger Ruß in die Atmosphäre als früher. Im Ausgleich dazu seien die weniger sichtbaren Luftschads­toffe stark angestiege­n.

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Die gleiche Vogelart (Field Sparrow, Spizella pusilla) mit und ohne Rußverdrec­kung: oben ein Balg aus dem Jahr 1906 und unten von 1996.

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