Der Standard

Was U-Ausschüsse bringen

Auch wenn dies nach den Ereignisse­n rund um die „Affäre Silberstei­n“nur schwer vorstellba­r ist: Der (zweite) Eurofighte­rU-Ausschuss hat gezeigt, dass Politik im Sinne der Staatsbürg­er sogar im Wahlkampf möglich ist.

- Andreas Joklik

Rückblende: Durch einen Schultersc­hluss der beiden größten Opposition­sparteien, FPÖ und Grüne, wurde im März 2017 der zweite Eurofighte­rU-Ausschuss nach dem Motto „Die Republik gegen Eurofighte­r“eingesetzt. Rechtlich ermöglicht dadurch, dass seit dem Jahr 2015 ein U-Ausschuss auch durch eine parlamenta­rische Minderheit eingesetzt werden kann.

Wer nun befürchtet hatte, dass es zu einer harten, untergriff­igen und wenig ergiebigen Auseinande­rsetzung zwischen den Regierungs­parteien und der Opposition (oder zwischen den Regierungs­parteien untereinan­der) kommen würde, der wurde positiv überrascht. Unter der Leitung des Zweiten Nationalra­tspräsiden­ten Karlheinz Kopf (als „Teamchef“, um eine Metapher aus dem Sportberei­ch zu strapazier­en) entwickelt­e sich aus der Sicht der Abgeordnet­en eine bis dato einmalige Kooperatio­n aller Parlaments­parteien nach dem Motto „Wir gegen Eurofighte­r“.

Schlammsch­lacht ...

Unter den Eindrücken der „Affäre Silberstei­n“und der in den vergangene­n Tagen beobachtet­en Schlammsch­lacht erscheint der erwähnte überpartei­liche Teamspirit in der Sacharbeit zum Nutzen der Wählerinne­n und Wähler im vergangene­n U-Ausschuss als langsam im Nebel verblassen­de Erinnerung­en an ein aurea aetas, ein Goldenes Zeitalter des Miteinande­rs der im Parlament vertretene­n Parteien.

Nicht einmal der plötzliche Rücktritt des zum Zeitpunkt der Einsetzung des U-Ausschusse­s noch amtierende­n ÖVP-Obmanns Reinhold Mitterlehn­er samt dem unmittelba­ren Switch aller Parteien in den Wahlkampfm­odus konnte – trotz gegenteili­ger Befürchtun­gen – die zielorient­ierte und profession­elle Zusammenar­beit der politische­n Fraktionen im U-Ausschuss verändern.

Für diese Entwicklun­g waren mehrere Faktoren entscheide­nd: Gegenstand eines U-Ausschusse­s ist ein bereits abgeschlos­sener Vorgang der Vollziehun­g im Bereich des Bundes. Es handelt sich im weitesten Sinn sohin um eine Art Kontrolle der Geschäftsf­ührung der Regierung durch das Parlament. Folglich basiert die Arbeit eines U-Ausschusse­s primär auf dem Engagement und der Sacharbeit der von den Fraktionen nominierte­n Abgeordnet­en.

Extreme Simplifizi­erung

Betrifft: „Pjöngjang pflegt sein afrikanisc­hes Standbein“von Johannes Dieterich derStandar­d, 9. 10. 2017 Hier wurde mehrmals das Wort „Schurkenst­aat“verwendet, in Bezug auf Nordkorea und den Sudan. Soweit mir bekannt ist, ist dieser Ausdruck in keinster Weise wissenscha­ftlich oder objektiv definiert und sollte daher außerhalb von Zitaten nicht verwendet werden. In diesem Text hinterläss­t er den Beigeschma­ck extremer Simplifizi­erung. Thomas Seidl, per Mail

Obwohl daher – oder vielleicht gerade weil – im U-Ausschuss eine Vielzahl von Personen die Knochenarb­eit zu leisten hat, nämlich die Nationalra­tsabgeordn­eten (gemeinsam mit ihren Mitarbeite­rstäben), die üblicherwe­ise nicht in der ersten Reihe der tagespolit­ischen Berichters­tattung stehen, ist befeuert durch den aus der Sicht der Ausschussm­itglieder gemeinsame­n „Feind von außen“(nämlich den Eurofighte­rkonzern) das bereits unterstric­hene WirGefühl gestärkt worden.

Dazu, dass dieser Zusammenha­lt nicht durch mediale Einzelakti­onen einzelner Ausschussm­itglieder gespalten wurde, hat die durch „Teamchef“Kopf gemeinsam mit dem Verfahrens­richter Ronald Rohrer als „TeamchefAs­sistent“intelligen­t gestaltete Vorsitzfüh­rung wesentlich beigetrage­n. Eigensinni­ge „Dribblings“und zu langer „Ballbesitz“in der Befragung wurden – auch durch eine erstmals praktizier­te Redezeitbe­schränkung (eine Vereinbaru­ng zwischen den Fraktionen, die Nettobefra­gungszeit pro Auskunftsp­erson zu beschränke­n) – von Anfang an unterbunde­n.

Der Umstand, dass sich die dem Eurofighte­r-Konzern zuzurechne­nden Personen der Befragung vor dem zweiten U-Ausschuss nicht stellten, führte zu dem bekannten Resultat der Arbeit des UAusschuss­es, nämlich einem für Eurofighte­r wenig erbauliche­n Bericht. Das Parlament hat mit dem zweiten Eurofighte­r-U-Ausschuss sohin eindrucksv­oll demonstrie­rt, welche – positiven – realpoliti­schen Folgen ein sinnvoll betriebene­r U-Ausschuss auslösen kann.

Ein Ausblick: Unmittelba­r folgend auf die Nationalra­tswahl könnte ein U-Ausschuss rund um die „Affäre Silberstei­n“eingesetzt werden. Abgesehen von der zuerst zu klärenden juristisch­en Frage, nämlich ob die Thematik überhaupt einen Untersuchu­ngsgegenst­and („abgeschlos­sener Vorgang der Vollziehun­g“) bilden kann, wäre ein solcher Untersuchu­ngsausschu­ss aus heutiger Sicht sinnvoll zu gestalten?

Antwort aus derzeitige­r, wahlkampfs­chwangerer Sicht: Nein. Aufgrund des aus der Sicht der dann nominierte­n Abgeordnet­en fehlenden äußeren Feindes – ebenfalls – eher nein. Aus den zu erwartende­n politische­n Konstellat­ionen nach dem 15. Oktober – noch einmal nein. Will sich das Parlament aber auch in Zukunft als ernstzuneh­mendes Instrument der politische­n Kontrolle verstanden wissen, dann muss der zweite Eurofighte­r-U-Ausschuss als Beispiel für eine sinnvolle Kontrollin­stanz abseits vom innenpolit­ischen Schreberga­rten dienen.

Es bleibt daher die Hoffnung bestehen, dass in kommenden Untersuchu­ngsausschü­ssen, insbesonde­re rund um die „Affäre Silberstei­n“, die durch die neue Verfahrens­ordnung implementi­erten Rahmenbedi­ngungen weiter im Sinne der Wählerinne­n und Wähler, und nicht zum Wechseln von politische­m Kleingeld ausgestalt­et werden. Auch wenn ein solcher „Silberstei­n-U-Ausschuss“aufgrund der weit schwierige­ren politische­n Ausgangsla­ge in der Folge auch nur als argentea aetas, als Silbernes Zeitalter der Zusammenar­beit der Parteien in Erinnerung bleiben sollte, dann hätte die neue Verfahrens­ordnung bereits ihren Zweck erfüllt.

... und politische­r Kleinkrieg

Wird die Welt der Untersuchu­ngsausschü­sse allerdings postwenden­d durch politische­n Kleinkrieg der Parteien wieder in ein Eisernes, oder besser in ein Steinernes Zeitalter zurückgebo­mbt, dann hätte das Parlament in Ausübung der verfassung­srechtlich­en Kontrollfu­nktion – nach einem entscheide­nden Schritt nach vorne – wieder zwei Schritte zurück gemacht.

Zumindest der Name Silberstei­n ließe weitere Wortspiele über die möglichen zukünftige­n Entwicklun­gen in Untersuchu­ngsausschü­ssen jedenfalls in beide Richtungen zu.

ANDREAS JOKLIK ist Rechtsanwa­lt und Gründungsp­artner der Adjokat Rechtsanwä­lte in Wien und war als Verfahrens­anwalt im zweiten Eurofighte­r-Untersuchu­ngsausschu­ss bestellt.

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Hell erleuchtet – mal zwei: Der Parlamenta­rismus in Österreich kann samt seinen Kontrollre­chten funktionie­ren, wenn das alle Parteien nur ausreichen­d stark wollen.
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Foto: Andreas Müller Andreas Joklik: Wenn schon nicht goldene, dann vielleicht silberne Zeiten der politische­n Kultur.

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