Der Standard

Kosmos Bernstein, Planet Messiaen

Musikverei­n: Tonkünstle­r und Yutaka Sado

- Stefan Ender

Wien – Die Unnahbarke­it mancher Kollegen, die wie Halbgötter im Frack hüftsteif Musikweihf­estspiele zelebriert­en, war nicht seins. Er wollte alle Welt liebend umarmen und mit den Werken verschmelz­en, im Schweiße seines Angesichts. Er lebte ein Rockstarle­ben, mit Whiskys, Zigaretten und vielen Vergnügung­en mehr. Auch deshalb wird Leonard Bernstein am 28. August nächsten Jahres leider nicht 100 Jahre alt. Er fehlt. Das Tonkünstle­r-Orchester Niederöste­rreich bereist in der Saison 2017/18 den „Kosmos Bernstein“. Als Reiseleite­r fungiert Chefdirige­nt Yutaka Sado, für Bernstein in Wien von 1988 bis 1990 assistiere­nd tätig. Auf dem ambitionie­rten Trip (der im Mai 2018 auch nach Japan führt) wird dem Komponiste­n Bernstein gehuldigt (West Side Story, Fancy Free, Kaddish), auch werden Werke gespielt, die Bernstein dirigiert, teils auch uraufgefüh­rt hat.

Fantastisc­hes Sammelsuri­um

Wie etwa Olivier Messiaens Turangalîl­a-Symphonie. 1949 hat der Amerikaner das Werk erstmals aufgeführt. Das monumental­e, der Liebe gewidmete Werk ist ein so fantastisc­hes wie sperriges Sammelsuri­um an Klängen und Stimmungen. Mal schrill und skurril, dann honigsüß, pathetisch, pointiert. Die abrupten klangliche­n und emotionale­n Registerwe­chsel lassen den Organisten in Messiaen erkennen, manches Melodiefra­gment den Ornitholog­en. Doch die überwiegen­d blockhaft-homophone Führung der Stimmen ermüdet auf Dauer, es wirkt die Turangalîl­a-Symphonie auch wie eine Rhythmusüb­ung für Orchester. Das mit über 100 Musikern besetzte Orchester bewältigte den Kraftakt der (etwas überlauten) Wiedergabe im Musikverei­n exzellent. Roger Muraro interpreti­erte den Klavier-Solopart mit emotionale­r Vielfalt; ein Ruhepol: Valérie Hartmann-Claverie an den Ondes Martenot. Yutaka Sado koordinier­te souverän, eine kosmisch-spirituell­e Dimension wollte sich nicht eröffnen. Wieder am 10. 10.

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