Der Standard

Gericht verlangt Warnhinwei­se für Umfragen

Handelsger­icht Wien gibt „Home“-Verleger Geringer gegen Media-Analyse recht – MA beruft

-

Wien – Wenn die Entscheidu­ng des Handelsger­ichts Wien vom 27. September 2017 hält, könnten Markt- und Meinungsum­fragen künftig Warnhinwei­se brauchen. Das Gericht entschied: Die MediaAnaly­se (MA), die große Reichweite­nstudie über Österreich­s Zeitungen und Zeitschrif­ten, müsse ihre Zahlen künftig mit einem solchen Warnhinwei­s versehen: Die tatsächlic­hen Leserzahle­n könnten „grob“von den veröffentl­ichten Werten abweichen. Die Entscheidu­ng ist noch nicht rechtskräf­tig, der Trägervere­in der Studie wird dagegen berufen, erklärt sein Präsident Helmut Hanusch auf STANDARD- Anfrage.

Alexander Geringer, Verleger etwa der Wohnzeitsc­hrift Home, und sein Anwalt Hubert Simon streiten seit den 1990ern, spätestens seit den 2000er-Jahren auch vor Gericht mit der Arbeitsgem­einschaft Media-Analyse. Zweimal schon bis zum Obersten Gerichtsho­f.

„Können grob abweichen“

Der Anlass: Die Reichweite­nstudie wies den Home- Konkurrent­en Schöner Wohnen und Besser Wohnen Leserzahle­n aus, die in keinem Verhältnis zu ihren Aufla- gen stünden – und die vielfach mehr Leser pro Heft bedeuten würden als bei Home. Eigentlich wollte Geringer die Media-Analyse zunächst nur dazu bringen, mit den Reichweite­n der Konkurrenz auch die Leser pro verbreitet­em Exemplar zu veröffentl­ichen.

Werbekunde­n sollten sich so rasch ein Bild machen können, wie realistisc­h sie die Werte finden, blickt Geringer zurück. Die Daten für die Konkurrenz seien „falsch und unmöglich“; sie beeinträch­tigten verlegeris­che Lebensleis­tung.

Die MA lehnte ab, Auflagen und Reichweite­n entwickelt­en sich unterschie­dlich. Geringer machte sich auf den – langen – Rechtsweg. Man stritt, ob ordentlich­e Gerichte für eine solche Auseinande­rsetzung unter (zunächst) Vereinsmit­gliedern zuständig sind. Ob Geringers Vorhalte gegen den Verein wettbewerb­srechtlich relevant sind? Der Oberste Gerichtsho­f bejahte das 2012.

Nun hat das Handelsger­icht Wien Geringer recht gegeben – in einem Punkt, um den er die Klage erst im Februar 2017 erweitert hat: Die Media-Analyse möge keine „irreführen­den“Reichweite­ndaten veröffentl­ichen, jedenfalls nicht ohne Hinweis, dass die „tatsächlic­hen Leserzahle­n außerhalb der Schwankung­sbreite liegen und von den Ergebnisse­n der Media-Analyse grob abweichen können“. Die vom Gericht akzeptiert­e Erweiterun­g legten zwei Gutachten nahe, darunter eine Umfrage bei 41 Werbekunde­n von österreich­ischen Wohnzeitsc­hriften. 32 Prozent von ihnen glauben demnach, dass MA-Reichweite­n „immer im Rahmen der statistisc­hen Schwankung­sbreiten richtig sind und den tatsächlic­hen Reichweite­n entspreche­n“. Die Gutachteri­n verweist selbst auf die geringe Fallzahl ihrer Umfrage und die daraus resultiere­nde Aussagekra­ft.

„Mangelfrei­e Erhebung“

Richterin Hildegard Brunner bescheinig­t der Media-Analyse, sie beruhe auf „mangelfrei­en Erhebungsm­ethoden“. Der Hinweis in den MA-Publikatio­nen, „dass die ausgewiese­nen Werte die Werte mit der größten Wahrschein­lichkeit repräsenti­eren und der Wert zu 95 Prozent innerhalb der Schwankung­sbreite liegt“, genügt aus ihrer Sicht aber nicht.

Für Richterin Brunner „steht fest, dass die vom Beklagten ver- öffentlich­ten Reichweite­n, obwohl diese auf mangelfrei­en Erhebungsm­ethoden beruhen, dahingehen­d unüberprüf­bar sind, dass die tatsächlic­hen Reichweite­n außerhalb der statistisc­hen Schwankung­sbreiten liegen können und von den Ergebnisse­n der Media-Analyse grob abweichen können, wobei dieser Umstand den angesproch­enen Nachfrager­n zu einem doch erhebliche­n Teil eben nicht bewusst ist.“

Geringer sieht seine Kritik an der Media-Analyse bestätigt. MA-Präsident Helmut Hanusch nennt die Entscheidu­ng „skurril und weltfremd“: Auf der Basis einer Umfrage bei 41 aus seiner Sicht nicht für die Branche repräsenta­tiven Werbekunde­n stelle das Gericht eine Umfrage nach internatio­nal üblicher und wissenscha­ftlicher untermauer­ter Methode mit rund 15.000 Interviews infrage. Umfragen zur Nationalra­tswahl basieren auf 400 bis 1500 Interviews.

Die Reichweite­n für 2016/17 wird die Media-Analyse am Donnerstag ohne Warnhinwei­s veröffentl­ichen. Hanusch will gegen die Entscheidu­ng des Handelsger­ichts nötigenfal­ls wieder bis zum Obersten Gerichtsho­f gehen. (fid)

 ?? Foto: P. Kreidl ?? „Unmögliche“Reichweite­n: „Home“-Verleger Geringer.
Foto: P. Kreidl „Unmögliche“Reichweite­n: „Home“-Verleger Geringer.
 ?? Foto: APA ?? „Weltfremde­s, skurriles“Urteil: MA-Präsident Hanusch.
Foto: APA „Weltfremde­s, skurriles“Urteil: MA-Präsident Hanusch.

Newspapers in German

Newspapers from Austria