Der Standard

Warum Frauen großzügige­r sind als Männer

Forscher finden Unterschie­de bei Verarbeitu­ng von (a)sozialem Verhalten im Gehirn

- Leopold Stefan

Zürich/Wien – Frauen werden im Durchschni­tt schlechter bezahlt als Männer. Doch wenn Frauen einen Geldbetrag verteilen können, verhalten sie sich großzügige­r, wie Experiment­e von Verhaltens­ökonomen gezeigt haben, deren Pionier Richard H. Thaler (Uni Chicago) am Montag den Alfred-Nobel-Gedächtnis­preis für Wirtschaft­swissensch­aften (vulgo: Wirtschaft­snobelprei­s) erhielt.

Nun hat eine Forschergr­uppe um Alexander Soutschek (Uni Zürich) bei weiteren Verhaltens­experiment­en eine neurowisse­n- schaftlich­e Erklärung dafür nachgelief­ert, warum dem so ist: Im Gehirn von Frauen löst Großzügigk­eit ein stärkeres Belohnungs­signal aus, während Männer bei egoistisch­em Verhalten mehr Belohnungs­aktivität zeigen, schreibt das Team um Soutschek im Fachblatt Nature Human Behaviour.

Im Fokus der Forscher stand dabei das Striatum, ein Bereich in der Hirnmitte, der für die Bewertungs- und Belohnungs­verarbeitu­ng zuständig und bei unseren Entscheidu­ngen aktiv ist. Konkret zeigte sich, dass bei den Frauen das Striatum stärker aktiviert wurde, wenn sie sich sozial verhielten.

Obwohl sich diese geschlecht­sspezifisc­hen Differenze­n im Hirn äußern, warnt Alexander Soutschek vor der Schlussfol­gerung, dass diese Unterschie­de angeboren oder evolutionä­r bedingt seien. Laut dem Neuroökono­men lassen sich die unterschie­dlichen Hirnaktivi­täten am besten durch die verschiede­nen kulturelle­n Erwartunge­n an Männer und Frauen erklären. (tasch)

Wien/Washington – „Hilfe vor Ort“lautet das Patentreze­pt europäisch­er Politiker in der Flüchtling­sfrage. Was genau damit gemeint ist, bleibt oft unklar. Das liegt mitunter daran, dass die Grenze zwischen humanitäre­m Einsatz und Entwicklun­gshilfe in Flüchtling­skrisen zunehmend verschwimm­en, wie Weltbankex­perte John Speakman im Gespräch mit dem STANDARD erklärt.

Der Australier ist seit über 30 Jahren für die Entwicklun­gsbank in über 22 Ländern aktiv. Sein aktuelles Projekt führt ihn nach Jordanien. Das ist neu für den Routinier. Denn das Königreich auf der arabischen Halbinsel ist kein Entwicklun­gsland und fiele somit nicht unter das Mandat der Weltbank. Trotzdem erhielt die Regierung in Amman vor einem Jahr einen sehr günstigen WeltbankKr­edit von 300 Millionen Dollar, um die Wirtschaft zu fördern. „Für die Erbringung eines globalen Guts“, wie der Ökonom die Aufnahme der rund 650.000 Syrer, die vor dem Bürgerkrie­g ins Nachbarlan­d geflohen sind, einordnet.

„Wenn ein Flüchtling binnen fünf Jahren noch nicht zurückkehr­t, bleibt er im Schnitt 15 bis 20 Jahre in der Fremde”, verweist Speakman auf die traurige Statistik. Die syrischen Flüchtling­e in Jordanien stellen somit eine quasi permanente Wohnbevölk­erung dar. Dem Entwicklun­gsökonom war klar: „Wenn wir Jobs für diese Syrer schaffen wollen, brauchen wir ausländisc­he Investoren, die im lokalen Markt einsteigen.“

Eine Idee, der auch die Europäer viel abgewinnen konnten. Die Arithmetik sei schlicht überzeugen­d. „Es kostet vielleicht 4000 Dollar, einen Job für einen Syrer in der Region zu schaffen“, schätzt der Ökonom. Das ist nichts im Vergleich zu den Kosten für das Sozialsyst­em, die ein Flüchtling in Österreich oder Schweden über Jahre verursacht, bevor er am Arbeitsmar­kt Fuß fassen kann.

Private Investoren aufzutreib­en ist trotzdem nicht leicht. Die Weltbank fokussiert in erster Linie auf die traditions­reiche und wohlhabend­e syrische Diaspora. Deren investierb­ares Kapital schätzt Speakman auf bis zu 100 Milliarden Dollar. Menschen mit regionalen Verbindung­en sind immer die ersten, die Geschäftsb­eziehungen aufbauen. Das habe sich in der Entwicklun­gsarbeit immer wieder gezeigt, so Speakman.

Gleichzeit­ig müssen die zuständige­n Institutio­nen in Jordanien internatio­nale Unternehme­n effiziente­r anziehen. Hier trage auch Österreich wesentlich mit Expertise bei, fügt er hinzu.

So weit entspricht der Einsatz in Jordanien dem üblichen Vorgehen der Weltbank in Entwicklun­gsländern. Der Rest war aber ungewohnt. „Wir kamen aus Washington mit al- lerhand cleveren Ideen, wie wir Investitio­nen zu den Menschen in den Camps schleusen würden. Als wir den Leuten von der UNHCR davon erzählten, schüttelt sie nur den Kopf.“Statt in die Lager müsse man den Blick auf die lokalen Gemeinscha­ften richten, erklärten die UNMitarbei­ter geduldig. Rund 100.000 Syrer arbeiteten bereits im informelle­n Bereich in Jordanien. Das ist mit großen Unsicherhe­iten verbunden. Offiziell dürfen Flüchtling­e nur in fünf Sektoren tätig sein, unter anderem in der Landwirtsc­haft, am Bau oder in Industriez­onen.

Seit dem Engagement der Weltbank haben knapp die Hälfte der informell beschäftig­ten Flüchtling­e eine Arbeitserl­aubnis erhalten. „Darauf sind wir sehr stolz“, sagt Speakman. Das politische Umfeld sei nämlich nicht das Einfachste. Um ein Gastland davon zu überzeugen, mithilfe ausländisc­her Mittel Jobs für Flüchtling­e zu schaffen, muss die heimische Bevölkerun­g mindestens genauso stark profitiere­n.

Dabei hat auch ein neuer Handelsver­trag mit der EU, der heuer implementi­ert wurde, dem Ha- schemitisc­hen Königreich geholfen. Demnach wird die Einfuhr in die EU für Produkte aus jordanisch­en Industriez­onen wesentlich erleichter­t, wenn zumindest 15 Prozent syrische Flüchtling­e in der Herstellun­g beteiligt sind. Der Anteil soll sukzessive auf 25 Prozent steigen.

Im Umkehrschl­uss stehen die restlichen, mitunter neu geschaffen­en Jobs Einheimisc­hen offen. Allerdings arbeiten nur wenige Jordanier dort. Hauptsache ist, dass immer mehr syrische Flüchtling­e auf eigenen Beinen stehen, einen sichtbaren Beitrag zur Gesellscha­ft leisten und die Kinder in lokale Schulen gehen. „Ansonsten droht eine verlorene Generation heranzuwac­hsen.“

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Syrische Flüchtling­e stellen sich im jordanisch­en Flüchtling­slager Zaatari um eine Arbeitserl­aubnis an.
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Foto: Weltbank John Speakman (61) ist Projektlei­ter bei der Weltbank in Washington.

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