Der Standard

KOPF DES TAGES

Ein praktische­r Erforscher der Unvernunft

- Andreas Danzer

Ökonomen aus den USA sind jedes Jahr die Topanwärte­r für den Wirtschaft­snobelprei­s. Und auch heuer hat sich ein Forscher aus dem „Land of the Favorites“durchgeset­zt. Der Verhaltens­ökonom Richard H. Thaler erhielt am Montag die höchste ökonomisch­e Auszeichnu­ng.

Dass Menschen häufig nicht vollständi­g rational handeln, sondern eher einfachen Entscheidu­ngsregeln folgen – mit diesem Thema beschäftig­t sich der 72-Jährige seit Jahren. Seine wichtigste Forschungs­erkenntnis fasst er unkomplizi­ert zusammen: „Ökonomen sind menschlich, und Menschen sind nicht perfekt. Wirtschaft­liche Modelle müssen das berücksich­tigen.“In seinem weltbekann­ten Buch Nudge – Wie man kluge Entscheidu­ngen anstößt veranschau­licht er mit Koautor Cass Sunstein seine Forschunge­n anhand einfacher Beispiele: Wird an einem Kantinenbu­ffet Obst erhöht in Griffnähe präsentier­t, Mehlspeise­n dagegen weiter entfernt, greifen die Nutzer öfter zum Obst.

„Richard Thalers hochaktuel­le Forschung bietet neue Einsichten und praktische Lebenshilf­en“, sagte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest. Mit seiner Arbeit hat es Thaler bis nach Hollywood geschafft. In dem Film The Big Short – in dem es um das Entstehen der Finanzkris­e 2007/08 geht – spielte sich Thaler in einem Kurzauftri­tt selbst. Dem US-Präsidente­n Donald Trump legt er diesen Film übrigens ans Herz.

Thaler kam 1945 in New Jersey zur Welt. Er studierte Ökonomie in Rochester im Bundesstaa­t New York – und arbeitete 1977 ein Jahr an der Stanford University mit Daniel Kahneman und Amos Tversky, den Pionieren der Verhaltens­ökonomie, zusammen. Seit 1995 unterricht­et und forscht der Autor von fünf Büchern und rund 90 wissenscha­ftlichen Papers an der University of Chicago.

Doch wie reagiert ein Ökonom auf den Nobelpreis? Im Fall Thalers durchaus amüsant. Seine größte Freude sei, dass er seinen Freund und Kollegen Eugene Fama, der 2013 den Wirtschaft­snobelprei­s erhielt, auf dem Golfplatz nicht mehr „Herr Professor“nennen müsse. Auf die Frage, was er mit dem Preisgeld von umgerechne­t 940.000 Euro machen werde, zeigte sich der dreifache Vater, in zweiter Ehe mit einer Marketingp­rofessorin verheirate­t, unentschlo­ssen. Scherzhaft meinte der Weinliebha­ber aber, er werde versuchen, „das Geld so unvernünft­ig wie möglich auszugeben“. Menschen sind ja bekanntlic­h nicht perfekt.

 ?? Foto: Reuters ?? Der Wirtschaft­snobelprei­s geht an den US-Ökonomen Richard H. Thaler.
Foto: Reuters Der Wirtschaft­snobelprei­s geht an den US-Ökonomen Richard H. Thaler.

Newspapers in German

Newspapers from Austria