Weg in die Willkür
Was sie genau will, weiß die ÖVP – wie Justizminister Wolfgang Brandstetter einräumte – selbst noch nicht. Hauptsache Verschärfung: Ein neues Gesetz soll Dirty Campaigning künftig verhindern.
Dabei gibt es längst Paragrafen, die unbelegte Unterstellungen sanktionieren. Üble Nachrede, Verleumdung und Beleidigung sind strafbare Delikte, selbst eine Bestimmung gegen das Verbreiten falscher Nachrichten vor Wahlen existiert bereits. Was soll da ein neuer Passus bringen? In vielen Fällen scheitert eine Bestrafung ja an einem ganz anderen Problem: dass der anonyme Urheber untergriffiger Postings oder Websiten schlicht nicht ausforschbar ist.
Dafür droht ein diffuser Dirty-Campaigning-Paragraf das Prinzip der freien Meinungsäußerung zu untergraben. Die Grenze zwischen Kritik und Anschütten ist fließend. Wenn etwa die SPÖ die ÖVP bezichtigt, Superreichen millionenschwere Steuergeschenke nachzuwerfen: Liegt da nur eine negative oder bereits eine schmutzige Kampagne vor? Soll ein Gericht oder – wie von der ÖVP erwogen – gar der für ganz andere Aufgaben vorgesehene Transparenzsenat in einem Schnellverfahren über solche Fragen eine Wertung treffen, dann wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet.
Politische Kultur lässt sich nicht per Gesetz verordnen, auch eine Anti-Schmutzkübel-Bestimmung wird Wahlkämpfe kaum gesitteter machen. Die Parteien würden das neue Instrument als Keule gegen die Konkurrenz einsetzen und jede kleine Gemeinheit belangen wollen. Außer einer Beschäftigungstherapie für Gerichte wäre nichts erreicht.