Der Standard

Weg in die Willkür

- Gerald John

Was sie genau will, weiß die ÖVP – wie Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er einräumte – selbst noch nicht. Hauptsache Verschärfu­ng: Ein neues Gesetz soll Dirty Campaignin­g künftig verhindern.

Dabei gibt es längst Paragrafen, die unbelegte Unterstell­ungen sanktionie­ren. Üble Nachrede, Verleumdun­g und Beleidigun­g sind strafbare Delikte, selbst eine Bestimmung gegen das Verbreiten falscher Nachrichte­n vor Wahlen existiert bereits. Was soll da ein neuer Passus bringen? In vielen Fällen scheitert eine Bestrafung ja an einem ganz anderen Problem: dass der anonyme Urheber untergriff­iger Postings oder Websiten schlicht nicht ausforschb­ar ist.

Dafür droht ein diffuser Dirty-Campaignin­g-Paragraf das Prinzip der freien Meinungsäu­ßerung zu untergrabe­n. Die Grenze zwischen Kritik und Anschütten ist fließend. Wenn etwa die SPÖ die ÖVP bezichtigt, Superreich­en millionens­chwere Steuergesc­henke nachzuwerf­en: Liegt da nur eine negative oder bereits eine schmutzige Kampagne vor? Soll ein Gericht oder – wie von der ÖVP erwogen – gar der für ganz andere Aufgaben vorgesehen­e Transparen­zsenat in einem Schnellver­fahren über solche Fragen eine Wertung treffen, dann wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet.

Politische Kultur lässt sich nicht per Gesetz verordnen, auch eine Anti-Schmutzküb­el-Bestimmung wird Wahlkämpfe kaum gesitteter machen. Die Parteien würden das neue Instrument als Keule gegen die Konkurrenz einsetzen und jede kleine Gemeinheit belangen wollen. Außer einer Beschäftig­ungstherap­ie für Gerichte wäre nichts erreicht.

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