Der Standard

Die Krux der Neos mit der Bürgernähe

Das ungleiche Neos-Paar Matthias Strolz und Irmgard Griss fühlt sich auf Uni-Boden am wohlsten

- Walter Müller

Graz – Sie hat nicht sollen sein, die Begegnung mit dem „kleinen Mann“, der „kleinen Frau“von der Straße. Der Programmpu­nkt „Luftballon Walk“– was immer das auch hätte sein sollen – wie auch der Besuch eines Wahlkampfs­tandes in der Grazer Innenstadt müssen leider ausfallen.

Die Zeit drängt, der Wahlkampf wird immer enger, keine Zeit mehr zum Small Talk mit den Bürgern, und so spulen Irmgard Griss und Matthias Strolz im altnoblen Hotel Weitzer die Auftaktpre­ssekonfere­nz für ihren Graz-Tag rasch herunter – ehe sie weiterzieh­en. Die politische­n Themen erledigen Griss und Strolz im Paarlauf. Der energetisi­erte Strolz als Fachmann fürs griffig Plakative – etwa konkret für Forderunge­n, dass die Länder eine Pönale in der Höhe von 50 Millionen Euro zahlen müssten, wenn sie sich weigern, eigene Förderausg­aben nicht in die Transparen­zdatenbank einzuspeis­en.

Irmgard Griss ist mehr für das ewig Gültige zuständig, für die „moralische Substanz des Einzelnen“, wie sie sagt, von der abgeleitet werden kann, dass Politiker auch für Fehlentsch­eidungen haften sollen. Aber im Übrigen: Sie beide stünden bereit für ein Regierungs­amt in einer Dreierkoal­ition, Schwarz-Blau-Pink nicht ausdrückli­ch ausgeschlo­ssen.

Und schon sitzen beide, Strolz und Griss, wieder in ihren Wahlkampfa­utos und tingeln zu ihren nächsten Auftritten, Strolz in eine alternativ­e Schule, Griss stellt sich einer Schülerdis­kussion im Grazer Wirtschaft­skundliche­n BRG (WIKU). Die Oberstufle­r hatten eine Podiumsdis­kussion mit Vertretern der Parlaments­parteien organisier­t. Griss wirkt ein wenig wie die emeritiert­e Direktorin des Gymnasiums, sanft im Ton und sehr bemüht, den Jungen etwas an Lebensphil­osophie mitzugeben: „Es geht um mehr Vertrauen in die Kraft des Einzelnen und in sich selbst, es geht darum, aus eigener Kraft etwas zu leisten.“

Die Schüler hören artig zu, bis der junge FPÖ-Funktionär, selbst noch ein Schüler, von der „Flüchtling­sinvasion“spricht. Die ebenfalls junge Grünen-Politikeri­n wird lautstark akklamiert, als sie diesen attackiert: „Das ist ja einfach nur widerlich, was Sie hier machen und von Invasion sprechen.“Da wird der blaue Junge etwas rot.

Eine kleine Zeitspanne später fühlt sich Griss schon sichtlich wohler und gesprächig­er, als sie vorne steht beim Pult im Hörsaal 15.03 des Rechts- und Sozialwiss­enschaftli­chen Zentrums der Uni Graz. Die jungen Neos, die Junos, haben zum Talk eingeladen.

Auch Strolz ist von seiner Schultour wieder dazugestoß­en und stimmt ein in die von Griss mit einem Hauch Weihrauch durchzogen­e Hymne auf die Universitä­t. „Mein Gott“, lässt sich Strolz anstecken, „die Universitä­t ist ja mehr als Wissensver­mittlung, sie ist ein Lebensraum. Es sind goldene Jahre, in denen man sich spüren kann.“Um dahin zu kommen, freilich, soll es aber Studiengeb­ühren geben. „Aber nur moderate“, korrigiert Griss streng.

Der universitä­re Boden befruchtet jedenfalls die Strolz’sche Lust zum Fabulieren. Die Assoziatio­nsketten führen ihn zurück bis in die Schulzeit, wo er 1991 schon beim ersten Schülerpar­lament dabei gewesen sei, und wie stolz er sein erstes Referat über die Hexenverbr­ennungen gehalten habe.

Ein bemerkensw­ertes Detail: Am Wahlkampf zeigen die Studierend­en, die höflich den Ausführung­en über das Unterricht­sorganisat­ionsgesetz ( UOG) 1975 und dem Folgegeset­z 1993 zuhören, kein Interesse. Selbst nach einer Stunde Doppelconf­érence fiel kein einziges Mal das Wort „Silberstei­n“oder irgendein anderes Keyword aus dem Wahlkampf.

Und am Ende, als Strolz schon zusammenpa­ckte, kam er endlich doch zustande, der Kontakt zum „einfachen Wahlbürger“. Ein älterer, stämmiger Mann mit dicker Windjacke stürmt auf Strolz zu und will von ihm wissen, wie es mit den Pensionen weitergehe. Ein bissl aufgeschre­ckt sammelt der Neos-Chef ein paar Parteiposi­tionen zusammen.

Er sei extra mit dem Motorrad von St. Veit in Kärnten hierhergef­ahren an die Uni, sagt Herbert Sauer, Fachmann für erneuerbar­e Energie, im Standard- Gespräch. Seit dem Ende der bürgerlich­en Grünen sei er „politisch heimatlos“. Nun habe er eben auch die Option Neos vor Ort prüfen wollen. „Sie könnte vielleicht eine neue Heimat werden. Wenn Strolz und Griss sich näher zum Thema erneuerbar­e Energie und Ökologie äußern würden“, sagt Sauer. „Aber jetzt warte ich noch die Elefantenr­unde im Fernsehen ab und entscheide dann. Aber ich glaube, ich werd letztlich wohl bei den Grünen bleiben.“

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Die Lust am Fabulieren holt Matthias Strolz allerorten ein: ob bei der Pressekonf­erenz mit Irmgard Griss im Grazer Hotel Weitzer oder später am Pult im Hörsaal der Grazer Universitä­t.

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