Psychisch kranke Jugend
„Kinderliga“alarmiert: Über ein Drittel betroffen
Wien – Laut einer aktuellen Studie des Ludwig-Boltzmann-Instituts und der Med-Uni Wien geben 37,95 Prozent der Buben und 34,41 Prozent der Mädchen zwischen zehn und 18 Jahren an, bereits an psychischen Problemen gelitten zu haben. Bisher gab es hierfür keine gesicherten Daten. Für die Kinderliga, die „Lobby der Kinder in Österreich“, ist seelische Gesundheit deshalb Jahresschwerpunktthema. Rund 170.000 österreichische Kinder und Jugendliche seien deutlich psychisch krank und brauchten unmittelbare Behandlung.
Obwohl die Hälfte der Betroffenen Hilfe wünscht, erhalten nur 36.000 medizinische bzw. therapeutische Versorgung – obwohl Suizid nach Verkehrsunfällen die häufigste Todesursache von Jugendlichen ist. Christian Kienbacher von der Kinderliga kritisierte am Dienstag bei einem Pressegespräch, dass häufig Kinder auf Betreuungsplätzen für Erwachsene untergebracht würden, was inadäquat sei, da es für die Behandlung psychisch kranker Minderjähriger spezieller Ausbildungen bedürfe. Kienbacher moniert auch, dass die Krankenkassen zu wenig zahlen. Maximal 22 Euro der Kosten für eine Therapiestunde beim Wahlarzt übernimmt die Sozialversicherung, bei Preisen von 80 bis 110 Euro. Für vollfinanzierte Plätze gebe es lange Warteschlangen. Die Studie habe auf die Kassen „Eindruck gemacht“, so Kienbacher, der auf Besserung hofft. Die Stigmatisierung von psychisch Kranken ging zurück, Betroffene suchen dennoch die Schuld oft bei sich. Auch dem könnte das Aus für Selbstbehalte entgegenwirken, glaubt der Arzt.
Emotionale Vernachlässigung
Einen Hauptgrund für die Zunahme seelischer Krankheiten sieht die Kinderliga in der emotionalen Vernachlässigung durch Eltern. Das Problem gebe es in Familien aller Einkommensschichten. Kinderliga-Chef Christoph Hackspiel sieht aber eine besondere Gefährdung im Auseinanderklaffen der Armutsschere. Eltern in finanziellen Schwierigkeiten würden sich häufig emotional zurückziehen, worunter Kinder leiden. Mit Berufstätigkeit der Eltern hänge Vernachlässigung nicht unbedingt zusammen. (aham)