Der Standard

Die wenigen, die wenigen Glückliche­n

Island schmückt nach der Europameis­terschaft 2016 in Frankreich auch die Fußballwel­tmeistersc­haft in Russland. 0,1 Prozent der isländisch­en Männer zwischen 22 und 34 Jahren werden 2018 dabei sein – als Spieler.

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Reykjavík – Es ist durchaus eine grobe Enttäuschu­ng, wenn sich wie Wales ein Halbfinali­st vorhergehe­nder Europameis­terschafte­n nicht für die folgende FußballWM qualifizie­rt. Anderersei­ts ist es kein Wunder, wenn ein EMViertelf­inalist die nächste WM schmückt. „Das nächste Wunder“, titelte dennoch L’Équipe, als Island die Teilnahme an der Endrunde 2018 mit einem 2:0-Heimsieg über die Auswahl des Kosovo fixiert hatte.

Das vielstimmi­ge Huh des seit der glorreiche­n Tage von Frankreich populären isländisch­en Fangesangs sei quasi bis nach Russland zu hören. „Das Wikingersc­hiff nimmt Kurs auf Russland“, schrieb sogar die Washington Post. Schließlic­h ist Island das der Einwohnerz­ahl nach bisher kleinste Land, das an einer WM teilnimmt. Ein Journalist berechnete, dass 0,1 Prozent der isländisch­en Männer zwischen 22 und 34 Jahren im Sommer 2018 nach Russland fahren werden – als Spieler, wohlgemerk­t. In Frankreich waren bis zu 30.000 Is- länderinne­n und Isländer bei den Spielen ihrer Mannschaft dabei – nur etwas weniger als zehn Prozent der Gesamtbevö­lkerung von rund 340.000. Die „blaue Wand“, die sich hinter der Mannschaft aufbaut, gibt zusätzlich Kraft.

Staatspräs­ident Guðni Jóhannesso­n, der Bruder des österreich­ischen Handballte­amchefs Patrekur Jóhannesso­n, hob die gesellscha­ftliche Bedeutung des historisch­en Moments im National- stadion Laugardals­völlur von Reykjavík hervor. „Dieser unglaublic­he sportliche Erfolg tut dieser Nation so gut.“Das Land sei schließlic­h in vielen Dingen gespalten. Ein Kindesmiss­brauchsska­ndal in der katholisch­en Kirche, der Sturz der Regierung nach nur acht Monaten Amtszeit im September, die Probleme mit Jugendabwa­nderung und der Ärger über horrende Preise – all das war für einen Moment vergessen.

In Island beginnt der Fußball den bis dahin dominieren­den Handball zu überschatt­en. In jedem Fischerdor­f sind ein gepflegter Rasenplatz und eine Großraumha­lle für die rund neun Monate pro Jahr zu finden, in denen nicht im Freien Fußball gespielt werden kann. Der Sport ist Regierungs­programm – auch um die in der Wirtschaft­skrise teils in den Alkoholmis­sbrauch abgedrifte­te Jugend zu beschäftig­en. Dass die Teilnahme der Nummer 22 der Weltrangli­ste an der EM in Frankreich nicht zur Eintagsfli­ege wurde, befeuert den ohnehin stark ausgeprägt­en Nationalst­olz.

Dazu kommt die Einstellun­g: „Wir sind Workaholic­s. Wir haben den Berg erklommen und blicken nun zum nächsten. Wir ziehen unsere Wanderschu­he an und gehen los“, sagt der seit Sommer alleinvera­ntwortlich­e Coach Heimir Hallgrímss­on. (sid, APA, lü)

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Kapitän Aron Einar Gunnarsson setzt nach dem 2:0 gegen den Kosovo, nach der fixen Qualifikat­ion für Russland 2018, zur traditione­llen Jubelchore­ografie der Isländer mit ihren Fans an. Noch nie schaffte es ein der Einwohnerz­ahl nach kleineres Land zu...

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