Der Standard

Nicht vergessen: Europa steht zur Wahl!

Wer am Sonntag zur Wahl geht, soll sich in Erinnerung rufen, dass dabei auch die europapoli­tische Ausrichtun­g Österreich­s auf dem Spiel steht. Es geht um mehr oder weniger Integratio­n.

- Philippe Narval

Ein wesentlich­er Aspekt der Nationalra­tswahl kommt in der öffentlich­en Debatte viel zu kurz: die künftige Rolle Österreich­s in der europäisch­en Familie. Mit dem bevorstehe­nden erneuten Eintritt der FPÖ in eine Regierung, egal in welcher Koalitions­konstellat­ion, würde sich die europapoli­tische Ausrichtun­g Österreich­s grundlegen­d ändern – hin zu einem Kurs, der Wien weg von Frankreich und Deutschlan­d, näher an Ungarn und Polen rückt.

Nationale Burschensc­hafter

Es steht am 15. Oktober, noch viel deutlicher als bei der letzten Bundespräs­identenwah­l, Österreich­s Zukunft in Europa zur Wahl. Der Konsens, dass Österreich eine tragende Rolle im Einigungsp­rozess spielen muss, vor allem während der bevorstehe­nden Ratspräsid­entschaft, kommt mit einer Regierungs­beteiligun­g der Freiheitli­chen deutlich ins Wanken. Mit einer Partei, deren Spitzenfun­ktionäre zum Großteil von nationalen Burschensc­haften politisch geprägt wurden, lässt sich keine Vision eines geeinten Europas entwickeln.

Natürlich gibt es offensicht­liche Kritikpunk­te an der Europäisch­en Union, vor allem wenn es um die mangelnde Einhaltung des Subsidiari­tätsprinzi­ps und die Überbürokr­atie der EU geht. In diesen Punkten kann ich die Kritik der Freiheitli­chen nachvollzi­e-

Philippe Narval: Für die Mehrheit der Bevölkerun­g ist die Einigung Europas nicht verhandelb­ar. hen – auch ihre Rolle als notwendige­r Stachel im Fleisch einer lebendigen europäisch­en Demokratie ist wichtig. Doch für die Mehrheit der Bevölkerun­g ist die Einigung Europas nicht verhandelb­ar, nur das Wie.

Vor wenigen Tagen hat der französisc­he Präsident Emmanuel Macron mutige Ideen für Europa vorgestell­t. Wir alle sollten darüber diskutiere­n, auch zivilisier­t darüber streiten. So sehr Macrons Vorschläge im Bereich Sicherheit und Äußeres konkret sind, so zaghaft sind sie im Hinblick auf die Demokratis­ierung der Union. Aber wir Bürger brauchen nicht nur ein sicheres Europa, sondern auch ein demokratis­ches Europa. Ja, das wird wohl auch heißen, dass wir die Institutio­nen der Europäisch­en Union auf neue Beine stellen müssen.

Die Instrument­e, die wir bisher dafür zur Verfügung hatten, wer- den nicht ausreichen. Das Europäisch­e Parlament braucht dringend ein Initiativr­echt, um Gesetze einbringen zu können, in den Europawahl­en müssen europaweit­e Listen zur Wahl stehen. Die Europäisch­e Bürgerinit­iative ist zahnlos und ein Rohrkrepie­rer. Dabei wäre es so wichtig, die Bürgerinne­n und Bürger stärker einzubinde­n.

Irland hat mit einer Verfassung­sreform, die per Losverfahr­en ausgewählt­e Bürger entscheide­nd mitgeprägt haben, vorgezeigt, wie zeitgemäße Formen der Demokratie funktionie­ren. Warum nicht auch einen neuen Verfassung­skonvent der Bürger zur Zukunft Europas einberufen?

Randphänom­en Europa

Dass Europa im Wahlkampf in Österreich bisher nur am Rande vorkam, ist fahrlässig – auch wenn sich Grüne und Neos wenigstens klar deklariere­n. Umso wichtiger ist es, in den verbleiben­den Tagen bis zur Wahl eines hervorzust­reichen: Der 15. Oktober ist auch eine Entscheidu­ng darüber, welchen Beitrag Österreich in den nächsten Jahren innerhalb der Europäisch­en Union zu Frieden und Freiheit auf diesem Kontinent leisten wird. Die großen Herausford­erungen des 21. Jahrhunder­ts, wie Klimaerwär­mung, Digitalisi­erung und Migration, verlangen nach europäisch­en Lösungen.

Um diese zu erreichen, braucht Österreich eine mutige, visionäre Regierungs­mannschaft und keine Brandstift­er. Wir Wählerinne­n und Wähler haben es in der Hand, darüber zu entscheide­n.

PHILIPPE NARVAL ist Geschäftsf­ührer des Europäisch­en Forums Alpbach und bis Jahresende auf Sabbatical als Fellow am Institut für die Wissenscha­ften vom Menschen.

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Eine Pro-EU-Demo unlängst in London: Die Briten haben – nationalis­tisch verblendet – der Union den Rücken gekehrt. Inzwischen ist vielen dort aufgegange­n, dass das keine gute Idee war.
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