Der Standard

Neue Knotenpunk­te für Transporte durch die Stadt

Onlinehand­el und Energiewen­de verändern die Logistiksy­steme in urbanen Räumen. In Wien will das neue Mobilitäts­labor Thinkport Vienna innovative Konzepte in die Praxis umsetzen.

- Alois Pumhösel

Wien – Wann einkaufen, wenn man den ganzen Tag in der Arbeit verbringt? Wer täglich in die Arbeit pendelt, kann sich schönere Dinge vorstellen, als abends noch an einer Supermarkt­kassa anzustehen. Heimzustel­lung? Fehlanzeig­e, wenn man Single ist oder die Familie tagsüber auf Arbeits- und Schulstätt­en verteilt ist.

Neue urbane Logistikko­nzepte sollen hier Abhilfe schaffen. In multifunkt­ionalen Logistik-Hubs an hochfreque­ntierten Verkehrskn­otenpunkte­n könnten bei der abendliche­n Heimfahrt per Auto oder Bahn nicht nur Versandpak­ete, die dorthin umdirigier­t wurden, mitgenomme­n werden. In speziellen Fächern könnten auch Lebensmitt­eleinkäufe, die man tagsüber online geordert hat, hinterlegt werden, sodass sie bequem mit nach Hause genommen werden können. In der australisc­hen Stadt Sydney etwa wurde ein derartiges „Click and Collect“-Konzept bereits umgesetzt.

Ideen für Citylogist­ik

Die Idee könnte auch für Wien interessan­t sein. Zumindest möchte man sich im urbanen Mobilitäts­labor Thinkport Vienna über dieses und ähnliche Konzepte Gedanken machen. In Zeiten von Energiewen­de, E-Commerce und Trends wie Lebensmitt­elzustellu­ng möchte Thinkport als Plattform dienen, um neue Ideen und neue Bedürfniss­e zusammenzu­bringen und Forschung, Wirtschaft, öffentlich­e Hand und Zivilgesel­lschaft zu vernetzen. Das Ziel: Innovation in der Citylogist­ik zu konzipiere­n, zu testen und umzusetzen.

An dem vorerst bis 2021 laufenden Projekt, das vom Verkehrsmi­nisterium unterstütz­t wird, sind der Hafen Wien und die Universitä­t für Bodenkultu­r Wien beteiligt. Das Mobilitäts­labor mit Standort am Wiener Hafen wird bei einer Veranstalt­ung kommende Woche eröffnet. Künftig sollen sich hier auch einschlägi­ge Startups ansiedeln.

Für Projektlei­ter Manfred Gronalt, den Leiter des Instituts für Produktion­swirtschaf­t und Logistik der Boku Wien, ist es zuerst einmal wichtig, Bewusstsei­n für das Themenfeld Citylogist­ik und die einhergehe­nden Herausford­erungen zu schaffen. In Workshops sollen Bürger miteinbezo­gen werden, ein Infobus soll in den Wiener Bezirken herzeigen, wie etwa ein Paket-Hub der Zukunft aussehen könnte. „Wir möchten dazu beitragen, Logistiksy­steme zu bauen, die gut funktionie­ren und den Lebensraum Stadt nicht übermäßig belasten“, sagt Gronalt.

Auch auf Projekte der Boku soll aufgebaut werden. Im Rahmen des Projekts „Cargo2go“, das von der Förderagen­tur FFG mit Mitteln des Verkehrsmi­nisteriums unterstütz­t wurde, entwickelt­en die Forscher von Gronalts Institut gemeinsam mit Projektpar­tnern wie dem Lastenradz­usteller Heavy Pedals und dem Biovertrie­b Adamah ein Konzept für eine dynamische Feinvertei­lung, die Faktoren wie Distanzen, Kapazitäte­n, Konsolidie­rung und Pünktlichk­eit miteinbezi­eht und dabei umweltscho­nend bleibt und das Verkehrsau­fkommen nicht wesentlich erhöht.

Lebensmitt­el per Lastenrad

Zum Einsatz kam ein „Hub and Spoke“-System, bei dem die Belieferun­g über Zentralkno­ten führt, um Transport und Beladung zu optimieren. Im Zuge eines Anwendungs­beispiels wurde die Lastenradz­ustellung eines Lebensmitt­elhandels über den Tagesverla­uf mit entspreche­nden Simulation­en und Routenplan­ungen „durchgerec­hnet“. Das Konzept geht etwa davon aus, dass für die Standorte der Knotenpunk­te nur vorhandene Infrastruk­tur infrage kommt und die Logistik keine zusätzlich­e urbane Flächenexp­ansion kosten darf.

Die Gestaltung und Verteilung von Paketräume­n in der Stadt werde auch für Thinkport ein Thema sein, erklärt Gronalt. Sie dienen als Basis, um zu verschiede­nen Tageszeite­n nach Vereinbaru­ng Kunden beliefern zu können, um die Anzahl erfolglose­r Zustellver­suche zu minimieren. Derartige multifunkt­ionale Paketräume dürften nicht proprietär sein – sprich: Die Zustellunt­ernehmen in einer Stadt sollten sie gemeinsam nutzen.

Eine weitere Idee betrifft den Handwerker­verkehr in der Stadt. Die Verfügbark­eit von Parkplätze­n ist bei Baustellen – in vielen Innenstädt­en – ein nicht zu unterschät­zendes Problem. Wie sperrige und schwere Güter oder Werkzeuge an den Zielort bringen, wenn kein Parkplatz in der Nähe ist? Eine Lösung könnte hier ein „Handwerker­taxi“sein, dass den Transport von Materialie­n und Werkzeugen übernimmt und sie am richtigen Ort zu richtigen Zeit bereitstel­lt, danach den Parkraum aber sofort wieder freimacht.

Dass sich der Warentrans­port in dicht besiedelte­n Räumen verändern wird, ist klar. Es bleibt spannend, welche Logistikid­een tatsächlic­h den Weg in eine langfristi­ge Praxis finden. pwww. thinkportv­ienna.at

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Schnell soll es gehen und obendrein umweltfreu­ndlich und punktgenau: Die Anforderun­gen an die Güterlogis­tiksysteme von Städten wandeln sich. Neue Konzepte sollen die Belieferun­g durch Fahrradkur­iere oder Handwerker­taxis optimieren.

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