„Suburra“: Mafia auf Netflix
Michele Placido inszeniert Serie über das wüste Treiben der ehrenwerten Gesellschaft
Vorweg das Allerbeste: Netflix synchronisiert nicht. Wie schon bei Narcos belässt der Streaminganbieter die italienische Serie in ihrer Originalfassung. Die Entscheidung ist eine grundsätzliche, und sie ist grundsätzlich gut. Das ist aber noch nicht alles.
Michele Placido, einer der Regisseure von Suburra, rügte Italiens öffentlich-rechtlichen Rundfunk: „Wann immer wir für Rai arbeiteten, wurden wir eingeschränkt“, sagte Placido. „Wir durften bestimmte Aspekte nicht erzählen, zum Beispiel über Politik. Mit Netflix haben wir die Freiheit, zu machen, was wir machen wollen.“Die Serie ist dort ab sofort abrufbar.
Bei Suburra war die Rai Koproduzentin und scheinbar mutiger, was Placido freut: „Endlich wagen sie etwas, das ist das Schöne. Einige Projekte, die ich vorgeschlagen habe, wurden abgelehnt. Ich freue mich sehr.“
„Suburra“war in der Antike das Elends- und Rotlichtviertel Roms, ein Ort der Sünde und des Verbrechens. Zumindest in diesem moralischen Umfeld wachsen die drei Junghupfer Aureliano (Alessandro Borghi), Lele (Eduardo Valdarnini) und Spadino (Giacomo Ferrara) auf, die sich fortan mit den Mächtigen messen, denen es um ein Strandstück in Ostia und Glücksspiel geht. Die Mafia hat sich in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zwischen Vatikan, Rathaus und Immobilienbranche breitgemacht. Es gibt Al- lianzen zwischen den Reichen und den Kriminellen, nicht selten sind sie beides zugleich. Die zehn Folgen der ersten Staffel umfassen einen Zeitraum von zwanzig Tagen in Rom. Die Geschichte basiert auf dem Roman von Giancarlo De Cataldo und Carlo Bonini. Suburra erzählt die Vorgeschichte zum Film aus dem Jahr 2015. Damals führte Stefano Sollima Regie, der auch Gomorrha inszenierte.
Geld und Orgien
„Die Themen, die wir zeigen, sind fast Klischees der Welt von Politik und Macht. Geld und Sex sind die Treiber“, erklärt Placido. Die kreative Freiheit nutzen Placido und seine Kollegen Andrea Molaioli und Giuseppe Capotondi aus, was darin resultiert, dass sie es manchmal zu gut meinen, etwa wenn der Abgesandte aus dem Vatikan im Bordell Orgien feiert.
Gina Giardini hat mit den von ihr produzierten Serien Romanzo Criminale und Gomorrha die Mafia nicht geschont. Bisher verhielt sich die „ehrenwerte Gesellschaft“jedenfalls zurückhaltend, wenn es um ihre Serienpräsenz ging: „Seit vielen Jahren bin ich mit diesen ganz schwierigen Themen tätig, es gibt keinen Druck, der uns gehindert hätte, die Serie so zu gestalten, wie sie ist.“Placido spielte in den 1980erJahren Allein gegen die Mafia und war auch im ORF der sprichwörtliche Straßenfeger. In Suburra spielt er selbst nicht mit, aber seine Erfahrung half: „Natürlich bin ich Schauspieler, und wenn ich mit Schauspielern arbeite, möch- te ich mich in diese Figuren hineinversetzen. Ich denke, es ist ein Vorteil, wenn der Regisseur Schauspieler ist, und ich bin sicher mehr Schauspieler als Regisseur.“
Das Thema Mafia bleibt Placido vorerst erhalten. In Bad Bankers inszeniert der 71-Jährige die Geschichte des Monsignore Marcinkus, eines amerikanischen Erzbischofs, der von 1971 bis 1989 Direktor der Vatikanbank und in Geldwäschegeschäfte verwickelt war, die 1982 schließlich zum Selbstmord des Präsidenten des Banco Ambrosiano, Roberto Calvi, führten. Die Interviews in London wurden von Netflix unterstützt.